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Berlin: Auf Brautschau

Zur Hochzeitsmesse verkaufen alle was. Nur die Kirchen nicht

„Die Stylistin kommt am großen Tag zu Ihnen“, flüstert die Geschäftsfrau verführerisch. Ihr Makeup zeigt, was so alles möglich ist. Über die grauen Teppichfliesen schleifen Schleppen. Models tragen Hochzeitskleider spazieren und verteilen Prospekte. Ein Walzer von irgendwoher. Es sind Hochzeitstage unterm Funkturm, alle wollen ans Geld, nur ein Stand will das nicht.

Die evangelische und katholische Kirche haben auf der Messe zusammen den schlichtesten Stand, den man sich nur vorstellen kann. Pfarrer Joachim Hoffmann tritt auf den Gang mit den Teppichfliesen und gibt den Leuten einen Prospekt in die Hand: „Was Sie nicht kaufen können!“ Einige sind richtig erschrocken, hier einem Pfarrer zu begegnen. Viele jedoch haben dann tatsächlich auch Fragen: Kann ich als Ausgetretene auch heiraten? Ich bin geschieden! Was mache ich, wenn mein Mann Muslim ist? Darf auch ein Imam dabeisein? „Wir werden nicht überrannt, aber wir haben zu tun“, und das seit acht Jahren auf dieser Messe.

Es ist ja nicht so, als hätten die Kirchen sich aufgedrängt. Man hat sie gefragt. Die Messe kam auf sie zu - ihr fehlte es wohl an Substanziellem - und da haben sie zugesagt. Seitdem sind sie ein Gegenangebot und zahlen keine Standmiete. Auch wenn sie das nicht so formuliert wissen wollen, denn sie verstehen sich gut mit den Standnachbarn. Zum Beispiel mit dem Mann am Mikro gegenüber. „Um Mitternacht kommt die Eisbombe. Die Eisbombe um Mitternacht.“ Wie ein Losbudenverkäufer. Immer wieder. Dabei handelt es sich um ein Hochzeitsarrangement in einem Hotel. „Alle unsere Subunternehmen sind dabei“, ruft er ins Mikro. Es klingt wie eine Drohung. Es gibt Pumpernickel und Käse auf Spießen. „Schnittchen“, schreit eine Mutter erfreut. Als Nächstes hält sie ein Angebot in der Hand.

Nebenan bei den Kirchen gibt es stattdessen Antworten. „Mit mir könnte es da ein Problem geben“, hatte die Krankenschwester Anja Niemann zu ihrem Bräutigam gesagt, „denn ich bin nicht getauft.“ Sie hat ihren Martin übers Radio kennen gelernt und strahlt unter pinkfarbenem Glitzerlidschatten, die Hochzeit ist im Mai. Die Kirche stimmte zu, denn Martin Knoop ist evangelisch. Ob der Pfarrer ihr nicht eine schöne Kirche in der Nähe empfehlen könne? „Wir suchen immer eine und finden immer keine“, sagt Anja Niemann. „Ja, aber Sie wohnen doch sicher irgendwo“, sagt der Pfarrer. Da müsse es doch eine geben.

Ein paar Stände weiter führt eine Mitmachgoldschmiede das Schmieden vor. Hier kann man Brautringe selber machen: Sie für ihn und er für sie. Dauert auch bloß eine Stunde. Ein Fotostudio bietet Leichtes und Laszives in Sepia und Color. „Komisch“, sagt Ellen Hoffmann. „Hochzeit als Verkleidungsspiel ist noch so aktuell wie vor 50 Jahren.“ Vor 40 Jahren heiratete sie selbst in Weiß – den Mann und Pfarrer, der jetzt auf dem Gang die Kirchenprospekte verteilt. „Ich will Ihnen meine schönste Geschichte erzählen“, sagt nun Joachim Hoffmann am Stehtisch. Kamen zwei zu ihm aus Ost-Berlin. Er schüchtern, schmal und evangelisch, sie rothaarig und Ex-Pionierleiterin, die führte das Gespräch. „Ich bin Atheistin“, sagte sie, „und will es auch bleiben. Aber ich möchte evangelisch heiraten. Geht das?“ „Ja aber“, wandte der Mann Gottes ein, „warum wollen Sie es dann überhaupt?“ „Mein Großvater“, sagte sie, „der ist tot und war evangelisch. Wenn ich in der Kirche heirate, habe ich das Gefühl, er ist dabei.“ Und so wurde es gemacht.

Die Hochzeitsmesse in der Halle 11.1 unterm Funkturm hat heute von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 10 Euro

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