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Wer hat den schönsten?

© dpa

Berlin: Berlin rot-weiß-rot

Fußballmüdigkeit? Nicht hier. Am Sonnabend feierten Stuttgarter und Münchener das Pokalfinale. Die Schwaben trafen sich natürlich in Prenzlauer Berg, die Bayern im Hofbräuhaus.

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Soll das eine Drohung sein oder ein Versprechen? Ein Versuch, sich selbst Mut zu machen wider alle Vernunft oder – seien wir gerecht – wider alle Wahrscheinlichkeit? Wie fühlt man sich wohl als Dreiergespann aus Stuttgart, ganz entschieden auf der Seite des VfB, aber ganz und gar nicht siegesgewiss? „Man weiß schon, wie es ausgeht, aber ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht doch. Wenn das passiert, dann machen wir die Stadt unsicher!“ Berlin, nun hüte dich!

Eine kleine Augenblicksaufnahme nur, aber doch symptomatisch für die Stimmung in der Stadt an diesem denkwürdigen Sonnabend im Juni, dem Tag des DFB-Pokalfinales zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Bayern München, das nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe im Berliner Olympiastadion entschieden wurde. Ein kurzer Kommentar nur zur gebremsten Siegeshoffnung der Stuttgart-Fans, eingefangen am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, wo es ja auch an normalen Tagen vor eingewanderten Schwaben nur so wimmeln soll. Hier nun aber, in der in Weiß-Rot dekorierten VfB-Fankneipe „Stadtkind“, ist die Dominanz der Spätzle-Fraktion nicht zu übersehen und zu überhören. In voller VfB-Montur räkeln sich die Anhänger von Labbadias Truppe zwischen den Marktständen auf den Klappstühlen der Kneipe und zischen ihr erstes, zweites, drittes... ach, wer wird denn jetzt am frühen Nachmittag, während die Vorfreude Minute für Minute steigt, noch zählen wollen.

Zumal Philipp Volksmund jetzt am frühen Nachmittag vor Zuversicht fast platzt: „Der VfB wird’s auf jeden Fall holen!“ In der 90. Minute werde es 1:1 stehen, in der 97. dann Traoré einen Pass zu Gentner spielen, Vorlage zum 2:1. Aber das muss einer wie Philipp Volksmund, dessen Band „Die Fraktion“ tags zuvor ihr Fanlied „Für immer VfB“ als Flashmob sogar am Brandenburger Tor darbot, schon von Berufswegen sagen, sozusagen. Ein Song, der am Nachmittag dann auch im Olympiastadion erklingen sollte.

Hier am Helmholtzplatz also ist Weiß-Rot die Farbe des Tages, im Hofbräuhaus am Alexanderplatz dagegen ist es Rot-Weiß. Die Farben des FCBayern München haben das bajuwarischen Weiß-Blau ausnahmsweise einmal abgelöst. Und als würde dies an landsmanschaftlichem Ambiente noch nicht genügen, spielt auch noch eine Band bayerische Schlager.

Hier ist die Stimmung nicht ambivalent wie im „Stadtkind“, sondern ungebrochen siegesgewiss. Viele Gäste sind eigens fürs Finalspiel nach Berlin gekommen, etwa der 40-jährige Martin Bach, samt seinem Fanclub aus Oberallgäu angereist. Dabei scheint ihm der Sieg der Bayern nur konsequent zu sein: „Ich glaube das nicht nur, weil ich Bayern-Fan bin, sondern weil die Bayern zur Zeit einfach gut drauf sind.“ Andere sind weniger gut drauf, und besonders mies geht es an diesem Tag dem 42-jährigen Christian Diehr aus Duisburg. Hat er nicht schon genug daran zu tragen, dass seinem Verein, dem MSV Duisburg, die Lizenz entzogen wurde? Nein, jetzt wurde ihm auch noch der Rucksack geklaut, mit den Karten zum Finalspiel: „Das ist schon sehr ärgerlich. Jetzt müssen wir das Spiel im Fernsehen anschauen.“

Doch trotz der rot-weißen Hofbräu- Hoffnung auf einen Triple-Sieg der Bayern, nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft und dem Triumph in der Champions League – noch ist der Alexanderplatz vor allem in der Hand der Jungen und Mädchen, die sich zum Feiern des Internationalen Kindertages dort eingefunden haben und sich mit Hüpfburgen, Bobbycars und, ja, das auch, mit Torwandschießen vergnügen. Einige Bayern-Fans schauen etwas irritiert zu, erstaunt, dass sie hier nicht im Mittelpunkt stehen. Einer aber nutzt die Gunst der Stunde, läuft durch die vergnügten Kinderscharen und fragt die Väter, ob nicht noch einer zwei Karten fürs Pokalfinale zu verkaufen habe. Gut möglich, dass er es später direkt am Stadion versucht, um den erwarteten Sieg nicht draußen am Zaun miterleben zu müssen.

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