zum Hauptinhalt
Nastassja Kinski als „Jane“ in Wim Wenders’ Film „Paris, Texas“ (1984).

© imago images/Ronald Grant / Mary Evans Picture Library via www.imago-images.de

Wim Wenders’ Männerwelten: Schluffis, soweit das Auge reicht

Wim Wenders wird oft vorgeworfen, Frauen spielten in seinen Filmen kaum eine Rolle. Stimmt nicht: Ohne die Frauen wären seine Werke bloß eine Ansammlung unfassbar fader Männer.

Ein Kommentar von Ronja Merkel

Wohl kaum eine Frau konnte – und kann vielleicht immer noch – so wunderbar zerbrechlich in die Kamera hauchen wie Nastassja Kinski. Ihr fast vierminütiger Monolog in „Paris, Texas“ (1984) gilt zur Rcht als eine der einprägsamsten Szenen in Wim Wenders’ Werk.

Mit langen Pausen und zarter, schon fast ätherischer Stimme erzählt „Jane“ ihrem verschollen geglaubten Nichtsnutz von einem Ehemann, wie sie noch Monate nach seinem Verschwinden imaginierte Gespräche mit ihm führte. Wie sie ihn nur in ihrer Vorstellung riechen, hören, sehen konnte. Und wie er irgendwann immer mehr aus ihren Gedanken verschwand.

Arme, zerstörte Seelen

Es sind weniger die von langen Seufzern unterbrochenen Worte, die diesen Monolog besonders machen – der Text selbst ist recht austauschbar. Es ist vielmehr Kinskis Rehäugigkeit, die Zerbrechlichkeit, dieses Verlorene, was nahegeht – ach, wenn man sie doch bloß in den Arm nehmen und halten könnte, diese arme, zerstörte Seele. All ihren Schmerz heilen, das Unrecht wiedergutmachen könnte.

Kitschig, nicht wahr? Und auch ein wenig dehumanisierend. Aber so waren sie eben, die Frauen in Wim Wenders’ frühen Werken. Schön mussten sie sein. Weiß – natürlich –, volle Lippen, volle Busen, große Augen, bloß nicht zu viel Mimik. Verloren mussten sie wirken, ziel- und haltlos – gebrochen durch ihre destruktiven Männer und deren sadomasochistische Art, durchs Leben zu gehen. Und zuhören mussten sie. So viel zuhören.

Unerträglich selbstzentriert

Man denke nur an „Alice in den Städten“ (1974), ein weiteres von Wenders’ Werken, in denen ein unerträglich selbstzentrierter Schluffi-Mann die großartige, nie ausreichend gewürdigte Edda Köchl mit einer langatmigen Ausführung zu seinem uninteressanten Innenleben quält. Unmittelbar nachdem sie signalisierte, ihr gehe es nicht gut.

Wim Wenders wird noch immer, nicht nur von Feministinnen, vorgeworfen, Frauen spielten in seinen Filmen eigentlich keine Rolle. Dabei ist eigentlich das Gegenteil der Fall: Ohne die Frauen, so klischeehaft sie sich auch darstellen müssen, wären Wenders’ Filme bloß eine Ansammlung unfassbar fader Männer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false