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Berlin: Kleines Musik-Disneyland: Wie ein Musikgenie fühlen - ein paar Sekunden

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich das einfach so trauen würde", sagt Hans Eckhardt aufgekratzt. Soeben hat der Zwei-Meter-Mann die Berliner Philharmoniker dirigiert, zumindest ihre virtuellen Doppelgänger: Auf einem Pult vor einer Leinwand stehend hat er ihnen Lautstärke und Einsätze vorgegeben.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich das einfach so trauen würde", sagt Hans Eckhardt aufgekratzt. Soeben hat der Zwei-Meter-Mann die Berliner Philharmoniker dirigiert, zumindest ihre virtuellen Doppelgänger: Auf einem Pult vor einer Leinwand stehend hat er ihnen Lautstärke und Einsätze vorgegeben. "Mit ein paar Armbewegungen", sagt er gestenreich, seine Augen blitzen, die heisere Stimme bekommt einen hellen Klang. "Ganz einfach."

Sich für ein paar Augenblicke wie Karajan fühlen - jeder kann das im Keller des Sony-Centers am Potsdamer Platz. Vor einem Jahr genau hat sie hier unten aufgemacht, die Musicbox: Ihre Macher priesen sie damals an als "faszinierendes musikalisches Highlight" in einer auflebenden Metropole. Im Grunde ist sie eine Art Miniatur-Disneyland der Musik. Auf ein paar hundert Quadratmetern Fläche können die zumeist halbwüchsigen Besucher dirigieren, Roboterhunde bei ihrer Tanzchoreographie beobachten oder mit dem Yellow Submarine der Beatles abtauchen. Zwischendurch können sie beim "Schattentanz" durch Bewegung eigene Lichteffekte zur Musik erzeugen oder durch Hopsen auf den in den Teppich eingelassenen "Footnotes" Melodien erklingen lassen.

Wer dann noch nicht genug hat, gönnt sich im 360-Grad Kino die multimediale "Berlin Symphony". Klingt alles ziemlich aufwändig, technisch gesehen. Ist es auch, und so erfahren die Neugierigen nebenbei, was moderne Computertechnik zu leisten imstande ist. So viel Zirkus hat allerdings auch seinen Preis, und der ist das Hauptproblem gewesen in den ersten zwölf Monaten. Gestartet ist man mit glanzvollen 20 Mark für die Eintrittskarte: ziemlich hoch gegriffen, wie Marketingchefin Carmen Morales mittlerweile einräumt: "Das gab der Berliner Markt einfach nicht her, erst recht nicht für ein Produkt, das der Öffentlichkeit nicht bekannt war."

Anders ausgedrückt: Die Öffentlichkeit kam nicht. Seit Juli sind die Tickets deshalb günstiger zu haben, für zehn bis 15 Mark, und inzwischen kann es in den Shows schon einmal eng werden. Zum Beispiel, wenn Captain Fred sein gelbes U-Boot zu Klängen von "All you need is love" in die Tiefe steuert, und die Zuschauer auf ihren Bänken hin und her gerüttelt werden. Die Mission: die Musik zurück nach Pepperland bringen. Natürlich müssen die Zuschauer ordentlich mithelfen, damit unterwegs nicht der Sprit ausgeht. "Wenn ich mitkriege, was die Kids heute so für Musik hören, ist es doch toll, dass sie wenigstens hier mit Klassik oder den Beatles in Kontakt kommen", sagt Regine Kister.

Drei Grundschulkinder hat die Berlinerin an diesem Vormittag mitgebracht; Verwandte aus Weimar. "Ins Kino gehen können sie auch zu Hause", sagt sie lächelnd, "aber das hier ist was Einmaliges. Das gibt es nur in Berlin." Carmen Morales hört das sicher gerne, denn sie sagt: "Wir wollen den Leuten ein ganz neues Musikerlebnis bieten." Bei den Besuchern kommt die Musicbox also an. Doch was macht dieses "neue Musikerlebnis" eigentlich aus?

Die Attraktionen wirken zusammengewürfelt, beliebig irgendwie. Ein klares Konzept scheint zu fehlen, abgesehen von der Tatsache, dass es in allen Räumen gleichermaßen bunt, grell und laut ist. Vielleicht aber ist gerade das ein Prinzip der Musicbox. Jeder erlebt Musik auf seine ganz eigene, subjektive Weise. Und eines immerhin steht fest: Nach seinem Auftritt mit den Berliner Philharmonikern hat sich noch jeder wie ein Musikgenie gefühlt. Für ein paar Sekunden zumindest.

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