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Kultur: Bestnote

Peter Gülke erhält den Siemens Musikpreis 2014.

Es ist eine besondere Wahl, die Peter Gülke zum Träger des Ernst von Siemens Musikpreises 2014 kürt. Die gerne auch „Nobelpreis der Musik“ genannte, mit 250 000 Euro dotierte Ehrung geht an einen Musiker, der stets Wissenschaftler und Dirigent zugleich war. Mit ihm wird kein Star des Klassik-Jetsets gefeiert, sondern ein unermüdlicher Musikdenker, der seine Dialoge gerne mit „Wir dürfen nicht vergessen, dass …“ einleitet. Die Stifter heben damit hervor, dass es in der Musik mehr als reine Affirmation gibt. Und sie tun es rechtzeitig im 80. Lebensjahr Peter Gülkes.

Geboren in Weimar, sieht er dort als Zehnjähriger Goethes Wohnhaus zusammensinken und das Theater brennen, er berichtet, wie er mit Buchenwald-Häftlingen Trümmer geräumt und Leichen ausgegraben hat. Heute lebt Gülke wieder dort, ist zurückgekehrt an den Ursprung eines Lebens im produktiven Widerspruch. Als junger Mann eignet er sich umfassendes philosophisches und philologisches Handwerkszeug in Leipzig und Jena an. Er weiß, dass er die Musikwissenschaft nicht als Beruf ausüben will, „der verordneten Ideologie wegen“. Also arbeitet der studierte Cellist und Dirigent als Repetitor, Schauspielkomponist und Kapellmeister – und immer schreibt er zugleich. Interpretieren heißt für Gülke denken: dem Weg vertrauen, die Resultate hinterfragen. Dass er damit ins Visier der Kulturideologen gerät, scheint unausweichlich. In Dresden wirkt er als Kapellmeister an der Semperoper, ediert und spielt Schuberts sinfonische Fragmente ein, unterrichtet den Orchesternachwuchs. Als Musikchef in Weimar wird Gülke von der Stasi bedrängt. 1983 kehrt er von einem Gastspiel in Hamburg nicht mehr in die DDR zurück, erst ein Jahr später kann seine Familie folgen.

Im Westen habilitiert er sich bei Carl Dahlhaus, ist zehn Jahre Generalmusikdirektor in Wuppertal, unterrichtet junge Dirigenten in Freiburg und gibt seinen musikwissenschaftlichen Furor an Studenten in Basel und Zürich weiter. Und immer schreibt er weiter. Sein Leben und Wirken in Ost und West reflektiert Gülke unter dem treffenden Titel „Fluchtpunkt Musik“. Zum Schumann-Jahr 2010 erscheint „Robert Schumann – Glück und Elend der Romantik“. Das ist auch ein Kennzeichen dafür, dass der Autor seine Fragen nicht mit Fachterminologie vom Leser abschottet. Für Gülke, jetzt Präsident der Sächsischen Akademie der Künste, ist „Schreiben nach Spielen und Anhören nur die drittbeste Art und Weise, mit Musik umzugehen“. Sein Schaffen beweist, dass es dennoch eine Kunst ist. Ulrich Amling

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