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Meinung: Das aktuelle Buch: Die ungestillte Sehnsucht nach Ökologie

Eigentlich wäre alles ganz einfach. Würde die Welt nur endlich auf Hermann Scheer hören und das Solarzeitalter einläuten, "wäre das immerhin die ökologische Rettung des Erdballs".

Eigentlich wäre alles ganz einfach. Würde die Welt nur endlich auf Hermann Scheer hören und das Solarzeitalter einläuten, "wäre das immerhin die ökologische Rettung des Erdballs". So formuliert der Alternative Nobelpreisträger und SPD-Bundestagsabgeordnete sein Anliegen in der Diskussion mit dem Schriftsteller Carl Amery und der "Zeit"-Redakteurin Christiane Grefe. Die Journalistin hat das Gespräch der beiden "zornigen jungen Männer" (Grefe) - Amery ist 78, Scheer 57 Jahre alt - moderiert und zu einem Buch verarbeitet. Sie wollte dabei ergründen, welche kulturellen Barrieren die Menschen daran hindern, angemessen auf ökologische Fragen zu reagieren. Und immer, wenn Grefe die beiden geübten Selbstdarsteller daran hindern kann, Anekdoten zu erzählen (Amery) oder mit missionarischem Eifer zu dozieren (Scheer), lohnt sich die Lektüre. Amery sieht eine der wesentlichen "mentalen Barrieren" für ein konsequent ökologisches Verhalten in der protestantischen Arbeitsethik: "Das Leben ohne Arbeit gilt nichts." Hermann Scheer leitet daraus die Erkenntnis ab, dass die Solarenergie von vielen nicht ernst genommen wird, weil sie einfach vorhanden ist. Amery nennt das "Safeknacker-Kultur", in der nach den Regeln der Ökonomie "alles der Knappheit abgerungen werden muss". Die wahre Revolution der Solarenergie sei aber ihre Einfachheit. Sie funktioniere ohne große Umwandlungsschritte. "Ich glaube, das stört die Ingenieurskultur", schreibt Amery.

Beide sind überzeugt, dass die solare Energie einen tiefen kulturellen Wandel mit sich bringen wird. Erneuerbare Energien werden dezentral erzeugt. Das stärkt nach ihrer Überzeugung die Regionen. Sie erwarten von der Solarwende sogar eine Demokratisierung der Gesellschaft. Die zentrale Energieversorgung führe dazu, dass sich Verantwortlichkeiten nicht mehr feststellen lassen. Wenn sich individuelle Verursacher nicht mehr zuordnen lassen, sind "alle" verantwortlich, "also niemand". Amery meint: "Die restlose Fragmentierung der Verantwortung lässt jedes Schuldgefühl verschwinden, weil es in einem Konformismus der Abläufe versinkt." Gleichzeitig würden "wir Warner" (Amery) "mit der Kassandra-Keule lächerlich gemacht". Da habe sich ein ungeheurer intellektueller Klimawechsel vollzogen. "Warnungen grundsätzlicher Art sind inzwischen auf geheimnisvolle Weise tabuisiert", was es schwierig macht, das Verantwortungsgefühl des Einzelnen für den Fortbestand des Planeten zu aktivieren. "Unsere Kultur ist die bisher einzige Hochkultur, in der intelligenter Verzicht tabuisiert wird", meint Amery. Angesichts des "totalen Marktes" sei es zwar schwierig, dieser Sache beizukommen, weil "Spiritualität zu einer get-quick-rich-Erfahrung" verkommen sei. "Aber die Sehnsucht ist ungebrochen."

Hermann Scheer dagegen hält Verzicht als Wert nicht mehr für durchsetzbar. Zudem müsse mit "Sonnenenergie nicht unbedingt" gespart werden, findet er. Deshalb glaubt Scheer den Weg zur Bewältigung aller Umweltprobleme gefunden zu haben: "Die Ökologiebewegung muss endlich erkennen, dass die solare Energiewende die Schlüsselfrage ist." Und Amery rät: "Spalten statt versöhnen." Denn "die Konsenskultur ist ausgesprochen strukturkonservativ".

Kurzum: Dieses Buch enthält interessante Hinweise für eine künftige Umweltpolitik. Seine Schwäche ist die Beschränkung auf die Solarwende. Ein neues Energiesystem allein löst nicht alle Menschheitsprobleme. Das sollte gerade zwei Ökologen klar sein. Amery selbst definiert die Erde als ein offenes System. Da geht es nicht nur um Energie. Hermann Scheer irrt sich, wenn er meint, die Solarenergie sei die Lösung aller Fragen.

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