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Politik: Berliner Kassenkampf

EIN JAHR ROT–ROT

Von Lorenz Maroldt

Vor einem Jahr, als in Berlin der rotrote Senat antrat, die Stadt zu regieren, hielt Christoph Stölzl für die CDU im Parlament eine fulminante Rede. Es war die Oppositionserklärung des bürgerlichen Berlins gegen den „Pakt mit dem Kommunismus“, gegen das Bündnis von Sozialdemokraten und Sozialisten. Als enthüllend für den Charakter der Koalition empfand Stölzl deren Absicht, der Klassenkämpferin Rosa Luxemburg ein weiteres Denkmal zu bauen. Mehr als 300 000 Euro sollte der PDS-Kultursenator dafür ausgeben dürfen. Sollte das der Mentalitätswechsel sein, den der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit versprochen hatte?

Viel war damals von Gysi die Rede, von Stasi, vom Abbau West zugunsten des Ostens. Heute ist von dieser Stimmung nur noch wenig zu spüren. Nicht mehr die Regierungsbeteiligung der PDS an sich wird als größte Provokation dieses Senats empfunden, sondern die Brutalität des Regierenden Bürgermeisters im Umgang mit Abhängigen: den direkten Empfängern von öffentlichem Geld. Milliardengaben an Hauseigentümer? Weg damit. Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst? Keine Chance. Drei Universitätskrankenhäuser? Da machen wir doch eins dicht. Berlin zahlt zu viel Sozialhilfe? Aber nicht mehr lange!

Und ausgerechnet trifft es meist jene, die von Rot-Rot Protektion erhofft hatten. Die anderen sehen staunend zu. Was geht da vor?

Vieles wirkt spektakulär – und ist doch nur der Vollzug jener Ankündigungen, die seit Beginn der neunziger Jahre in keiner Regierungserklärung fehlten: Die Ausgaben müssen runter, ohne Rücksicht auf Verwandte. Dabei kommt dem Senat, so kurios das klingt, manches Vorurteil durchaus gelegen. Man stelle sich vor, ein schwarz-gelbes Bündnis ginge ebenso hart und entschlossen vor – Rot-Rot würde den Volksaufstand schon organisieren. CDU und FDP sind aber dazu nicht willens, und auch nicht in der Lage. Die Grünen stehen auf beiden Seiten. Generell halten sie vieles für richtig, stoßen sich allerdings an der Art. Für die Opposition insgesamt gilt: Richtig erkennbar wird sie nur im Detail. Das muss nicht heißen, dass sie nichts taugt. Das kann auch bedeuten, dass dieser Senat so ganz falsch nicht liegt. Das aber zeigte dann auch, wie schlecht die Vorgänger wirklich waren.

Noch etwas kam anders als von vielen erwartet: Die PDS macht sich klein. Mit Gysi war sie immerhin – Gysi. Seit der Bundestagswahl ist sie – ja was? Bestenfalls unsichtbar. Hier regiert die SPD.

Ist also alles auf gutem Weg? Nein, alles noch längst nicht. Die gescheiterte Sparklausur vom vergangenen März wirkt immer noch nach. Nicht einmal die Opernfrage ist endlich gelöst, dabei geht es hier nur um wenig. Was wird aus dem Flughafen? Wann kommt das Geld vom Bund – und kommt es überhaupt? Was ist mit der Wirtschaftspolitik? War die Ansiedlung von Coca Cola schon alles? Gelingt es dem Senat, im öffentlichen Dienst eine Rebellion zu vermeiden? Was ist mit den versprochenen Grundstücksverkäufen, was mit der Privatisierung weiterer Unternehmen des Landes? Wie überleben die Unis? Und dann liegt da ja noch eine Bombe im Sumpf: Die Bankgesellschaft ist längst nicht entschärft. Hier wird viel auf Hoffnung vertraut, aber das ist entschieden zu wenig.

Wo wir gerade bei der Liste der offenen Punkte sind: Das Rosa-Luxemburg-Denkmal fehlt übrigens auch noch. Aber das hat der Senat nicht etwa vergessen, er hat es nur vertagt, bis sich die Aufregung legt. Jetzt scheint die Zeit reif zu sein. Im Februar startet der Wettbewerb. Wen soll das noch ärgern? Viel mehr wird von der PDS sowieso kaum bleiben.

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