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Georgios Papandreou (l.) und Recep Tayyip Erdogan.

© Reuters

Türkei und Griechenland: Grenzen der Freundschaft

Papandreou und Erdogan haben einen guten persönlichen Draht zueinander. Die grundlegenden Differenzen im griechisch-türkischen Verhältnis bleiben jedoch ungelöst und belasten weiter die Beziehungen.

Es war eine Geste der Freundschaft, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre: Der griechische Premier Georgios Papandreou war Ehrengast beim Jahrestreffen türkischer Botschafter aus aller Welt im ostanatolischen Erzurum. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte den Gast aus Athen als "lieben Freund", dem er vertraue. Papandreou beschrieb seinen Amtskollegen als "Bruder".

Doch bei aller atmosphärischem Tauwetter im Wintersportzentrum Erzurum bestimmte der eiskalte Hauch der politischen Realität den Kurzbesuch des griechischen Regierungschefs. Während sich Papandreou öffentlich über die türkische Politik in der Ägäis und auf Zypern beschwerte, schlossen Erdogan sowie sein Außenminister Ahmet Davutoglu weitere Zugeständnisse ihres Landes an die EU in der Zypernfrage aus - und erhielten dafür den Beifall der türkischen Nationalisten.

Zweifellos haben Papandreou und Erdogan einen guten persönlichen Draht zueinander. Bei einem Besuch Erdogans in Athen im vergangenen Jahr unterschrieben die beiden Politiker mehr als 20 Abkommen, mit denen die beiden lange verfeindeten Nachbarn ihre Zusammenarbeit vertiefen wollen.

Darauf wollen sie aufbauen. In Erzurum zeigte sich Erdogan beeindruckt von Papandreous Schilderung der Flüchtlingsmassen, mit denen Griechenland fertig werden muss. Der von Griechenland geplante Bau eines Zaunes an einem zwölf Kilometer langen Streifen der gemeinsamen Landgrenze beider Länder ist für den türkischen Premier deshalb kein großes Problem. Erdogan sprach sich für gemeinsame Anstrengungen in der Flüchtlingsfrage aus und sagte zu, die Türkei werde ihren Beitrag leisten; wenige Tage zuvor hatte der türkische EU-Minister Ergemen Bagis den griechischen Zaun noch in scharfen Worten verdammt.

Aber soviel Gemeinsamkeit und gegenseitiges Verständnis herrschte nicht auf allen Politikfeldern. In seiner vom Fernsehen übertragenen Rede vor den türkischen Botchaftern in Erzurum kritisierte Papandreou, türkische Kampfjets hätten erneut griechische Inseln in der Ägäis überflogen: "Was soll das?" Mit Blick auf die türkische Truppenpräsenz im türkischen Sektor der geteilten Mittelmeerinsel Zypern warnte Papandreou, die Türkei könne die angestrebte EU-Mitgliedschaft vergessen, solange die türkische "Besatzung" nicht ende. Die Warnung des Gastes hat für die Türkei Gewicht, den Griechenland gehört zu den Befürwortern eines türkischen EU-Beitritts.

Erdogan, der sich während Papandreous Rede viele Notizen machte, ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Die Türkei verliere allmählich die Geduld mit dem Zaudern der EU in der Beitrittsfrage, sagte er. Zugleich kritisierte er den Umgang Athens mit der türkischen Minderheit in Griechenland. Der türkische Außenminister Davutoglu sekundierte, im Zypern-Konflikt habe die türkische Seite die Ernsthaftigkeit ihres Friedenswillens deutlich demonstriert. Die türkische Geduld habe ihre Grenzen.

Damit wurde bei dem Papandreou-Besuch vor allem eines deutlich: Die grundlegenden Differenzen im griechisch-türkischen Verhältnis bleiben ungelöst und belasten weiter die Beziehungen. Weder im Streit um ungeklärte Gebietsansprüche in der Ägäis noch im Zypern-Konflikt zeichneten sich in Erzurum neue Bewegungsspielräume oder Initiativen ab. Kein Wunder, dass die türkische Nationalisten-Partei MHP zufrieden bilanzierte, Erdogan habe völlig richtig gehandelt, indem er Papandreous Vorwürfe zurückwies. Ein halbes Jahr vor den türkischen Parlamentswahlen im Juni ist kaum mit mutigen - und von Nationalisten leicht angreifbaren - Vorstößen der Erdogan-Regierung zu rechnen.

Allerdings ist weder die eine noch die andere Seite angesichts dieses Stillstands sonderlich überrascht oder enttäuscht. Griechen und Türken wissen, dass sie ihre viele Jahre zurückreichenden Konflikte nur mit viel Geduld lösen können. Gelassen verwies Davutoglu deshalb darauf, Papandreou habe in Erzurum lediglich alte griechische Positionen wiederholt. Kein Grund zur Aufregung, die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern soll weitergehen. Auch der Gast aus Athen spielte den öffentlich ausgetragenen Streit mit Erdogan herunter. In Erzurum sei es zwar sehr kalt, sagte er. "Aber die Wärme der Menschen hat mich sehr berührt."

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