zum Hauptinhalt

NRW-Wahl: Rüttgers kann sich nicht mehr sicher sein

Rüttgers taktische Angriffe auf Hartz IV sollen seinen sozialen Ruf festigen – vor der Wahl in NRW. Doch sicher ist ihm der Sieg noch nciht.

Ursula von der Leyen hielt es nicht einmal für nötig, persönlich zu antworten. Den jüngsten Vorstoß ihres Düsseldorfer Parteifreundes Jürgen Rüttgers, der die Hartz-IV-Gesetze wenige Monate nach dem Start der neuen Koalition schon wieder ändern möchte, ließ sie kühl durch einen Sprecher zurückweisen. Wir sehen gegenwärtig keinen Änderungsbedarf, hieß es trocken aus dem Berliner Arbeitsministerium, nachdem der Düsseldorfer Regierungschef erneut verlangt hatte, die Hartz-Gesetze zu verändern. Nach der „Generalrevision“, die er schon vor Jahren angeregt hatte, will Rüttgers jetzt zwar nur noch eine „Grundrevision“, aber auch dafür sieht die zuständige Fachministerin keinen plausiblen Grund.

Rüttgers wird das seiner christdemokratischen Parteifreundin nicht wirklich übel nehmen. Sein jüngster Vorstoß hatte ohnehin weniger inhaltliche als taktische Gründe. Mit dem sicheren Gespür für gutes Zeitmanagement hatte er seinen Vorstoß zu Veränderungen an den Hartz-IV-Gesetzen just an jenem Tag platziert, an dem seine Herausforderin ihre Auftaktpressekonferenz zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen angesetzt hatte. Während SPD-Herausforderin Hannelore Kraft die regionalen Schlagzeilen mit ihrer Basisoffensive für Mandatsträger bestimmte (die in die Betriebe gehen und dort praktisch arbeiten sollen), wollte Rüttgers überregional punkten. Da die Menschen seine kritische Position zu Hartz IV kennen, reichten wenige Worte, um sich erneut als personifiziertes soziales Gewissen der Union zur profilieren. Das alles dient dem Zweck, den Ruf als wahrer Arbeiterführer an der Ruhr zu festigen. Auf diesem Weg will er den Urnengang im Mai bestehen und Ministerpräsident bleiben.

Doch Rüttgers kann sich nicht mehr sicher sein, dass der Wahlgang für ihn ein Selbstläufer wird. Ihm droht ein ähnliches Schicksal wie seinem Gegenspieler Peer Steinbrück 2005; der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident hatte die Wahl verloren, als die Arbeitslosenzahlen kurz vor der Abstimmung auf fünf Millionen sprangen. Für dieses Frühjahr sagen nun alle Experten voraus, dass vor allem im exportorientierten Industrieland Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich viele Stellen verloren gehen werden, was Jürgen Rüttgers die politische Bilanz verhagelt.

Die gegenwärtigen Umfragen reflektieren die hausgemachten Probleme genauso wie die Fernwirkungen des Berliner Fehlstarts. Die CDU muss sich an Rhein und Ruhr auf deutliche Verluste einstellen, von den 44 Prozent des Jahres 2005 ist man meilenweit entfernt. „Zwischen uns liegen zwar noch sechs Punkte“, heißt das in den Worten von Herausforderin Kraft, „aber das sind nur drei Punkte rauf für uns und drei weniger für die CDU“. Selbst wenn sich die SPD- Kandidatin die politische Welt mit solchen Sprüchen schöner zeichnet, als sie ist, deuten alle Umfragen darauf hin, dass Schwarz-Gelb um die Mehrheit fürchten muss, weil nicht nur die CDU, sondern auch die Liberalen verlieren.

So scheint Schwarz-Grün eine nicht undenkbare Option. Wenn es dafür nicht reicht, scheint sogar eine Ampel möglich. „Einen Ausschluss anderer politischer Koalitionen halte ich zwischen den demokratischen Parteien grundsätzlich für falsch“, sagte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart dem Tagesspiegel. „Wenn sich die FDP wirklich sozial orientiert, wie das der neue Generalsekretär verbal versucht hat, würde mich das sehr freuen“, kabelte Kraft an die Liberalen zurück.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false