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Politik: Sauwetter drinnen und draußen

Der CSU dämmert in ihrer Kreuther Klausur, dass es im Lande keine Wechselstimmung gibt

Von Robert Birnbaum

„Die hat’s uns ganz schön eingeschenkt“, sagt ein CSU-Abgeordneter. „Die“ ist Renate Köcher, Chefin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Köcher hat der CSU-Landesgruppe die Idylle in Kreuth gründlicher verdorben als der Regensturm, der anderntags den Schnee im Tegernseer Tal in trüben Matsch verwandelt. Nicht, dass die Christsozialen nicht gewusst hätten, dass die Lage der Union nach dem verzankten Jahr 2004 nicht so besonders ist. Aber die nackten Zahlen übertreffen die Befürchtungen. Das Ansehen Gerhard Schröders in den eigenen Reihen ist wieder auf 80 Prozent gestiegen, das Ansehen der CDU-Chefin Angela Merkel bei den Ihren auf etwas über 50 Prozent gesunken. Über die Hälfte der Leute kreuzt bei CDU und CSU die Vokabel „zerstritten“ an. Die Kompetenzwerte speziell für die Gesundheitspolitik sind im tiefen Keller, „acht Prozent!“, erinnert sich ein Zuhörer. Dass die Union es selber war, die sich diesen Absturz zuzuschreiben hat, daran lässt die Demoskopin keinen Zweifel. Allein das Personalangebot – wen, hat Köcher gefragt, hat die Union denn auch nur den drei Grünen-Ministern entgegenzusetzen? „Es gibt keine Wechselstimmung“, hat sie dann knapp zusammengefasst – ein letztes Mal in Zahlen: Nur 34 Prozent der Bürger finden derzeit einen Regierungswechsel vordringlich.

Vielleicht haben die Daten der Demoskopin das Ihre dazu beigetragen, dass Michael Glos sich am Mittwoch offensiv als missverstandene Unschuld präsentiert. Oder lag es an irritiert-erbosten Telefonaten aus Berlin? Der Landesgruppenchef hat in den Tagen vorher allerlei Bösartiges über Merkel gesagt. Er hat sogar einen Satz gesagt, den man mit etwas Fantasie als Wiederaufnahme der berüchtigten K-Frage verstehen konnte. „Das war in keiner Weise beabsichtigt“, sagt Glos jetzt. Neben ihm schaut Edmund Stoiber streng. „Das Jahr 2005 ist das Jahr, in dem die Geschlossenheit und Gemeinsamkeit in der Vertretung unserer Positionen absoluten Vorrang hat“, wird Stoiber später dekretieren. Drinnen in der Sitzung hat er den Glos allerdings nicht gerügt. Und richtig unglücklich wirkt der Glos auch nicht.

Ansonsten ist die CSU aber sehr wohl unglücklich. „Ratlos“ fand ein Zuhörer die Diskussion nach Köchers Vortrag, sogar ein bisschen verzweifelt: Ja, aber, was sollen wir denn machen? Ein CSU-Promi findet es immerhin beruhigend, dass zwar die Opposition in der Wählergunst abgesackt ist, aber die Regierung nicht wirklich zulegt. „Das heißt, wir können uns auch selbst wieder nach oben bringen“, sagt der Mann. Der Geschäftsführer der Landesgruppe, Peter Ramsauer, fordert schon öffentlich ein klareres Oppositionsprofil – Schluss mit der „quasi großen Koalition“ per Vermittlungsausschuss.

Die Sorge geht um, dass die nächsten Wahlen verloren gehen und dass die CDU danach in Turbulenzen gerät, die auch die CSU mitreißen. „Dann müssten wir uns etwas einfallen lassen“, sagt ein Teilnehmer. Was, sagt er nicht. Aber sehenden Auges in eine Wahlniederlage 2006 gehen? „Der Feind des Guten ist das Bessere“, hat Stoiber auf die Frage geantwortet, was die Union tun könne, um ihr Image aufzupolieren, und dass man jetzt die wichtigen Themen nach vorne schieben müsse, Arbeitslosigkeit, Wirtschaft. Und wenn auch das nicht hilft? „Für viele von uns ist 2006 die letzte Chance“, hat ein Christsozialer aus der älteren Riege gesagt. Er hat nicht so gewirkt wie jemand, der sich die entgehen lassen will.

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