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Das aktuelle Projekt: In Potsdam-Rehbrücke werden Polyphenole im Tee erforscht

Das aktuelle Projekt: In Potsdam-Rehbrücke werden Polyphenole im Tee erforscht Wie wäre es mit einer heißen Tasse Tee zwischendurch? Die kalte Jahreszeit verlangt förmlich nach seiner wohltuenden Wirkung. Behaglichkeit ist das eine, doch manchmal kann der Sud des Getränkes noch viel mehr. Epidemiologische Studien zu den Teesorten der Pflanze „Camellia sinensis“ (Schwarzer Tee, Grüner Tee und Oolong Tee) besagen: Teetrinker haben weniger Karies, leiden seltener an der Augenkrankheit Grüner Star, seltener auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und an einigen Krebsarten. Erzeugt Tee also generell eine präventive Wirkung hinsichtlich diverser Krankheiten? Eine Frage, mit der sich seit zwei Jahren die Abteilung „Präventiv-medizinische Lebensmittelforschung“ des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Bergholz-Rehbrücke beschäftigt. Spezialisiert hat sich das Team um Dr. Ralf Stohwasser auf Tee-Polyphenole, und dabei besonders auf das gesundheitsfördernde Epigallocatechingallat (EGCG) der Gruppe der Catechine. Noch gilt es zu klären, wie und wo diese Substanz konkret wirkt. Wie wird sie im Körper transportiert, umgewandelt und letztlich abgebaut? Aus den gewonnen Erkenntnissen wollen die Potsdamer Forscher Ernährungsempfehlungen sowie präventive und therapeutische Maßnahmen für Risikogruppen ableiten. EGCG gilt als besonders interessant für direkte klinische Anwendungen. Der DIfE-Forscher Stohwasser präsentierte kürzlich auf internationalen Fachtagungen in Frankreich (Vichy) und den USA (San Diego) Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Catechine aus Tee eiweißspaltende Enzyme hemmen. Diese Enzyme, so genannte Proteasen, sind für das Tumorwachstum bei Krebserkrankungen wichtig. Wissenschaftler der Universität Tokio und der Universität Marburg haben vor kurzem antivirale und antibakterielle Wirkungen des Substrates nachweisen können. Das ist auch im Kampf gegen resistente Erreger wie die Staphylokokken-Stämme oder die Influenza-Viren von Bedeutung. Daneben kann EGCG mit seiner stark antioxidativen Wirkung – bis zu 100 Mal stärker als Vitamin C – freie Radikale abfangen und so die Zerstörung empfindlicher lebenswichtiger Moleküle verhindern. So könnte beispielsweise eine drohende Verstopfung der Blutgefäße (Arteriosklerose) abgewendet werden, wenn die oxidationsgefährdeten Lipoproteine nicht angegriffen werden. In einer Schale guten Tees befindet sich das EGCG indes in guter Gesellschaft mit anderen gesundheitsfördernden Substanzen. Weitere Polyphenole, Vitamine (B, C und E) und Mineralstoffe – wie etwa Zink, Jod und die zahnschmelzstärkenden und karieshemmenden Fluoride – mischen sich in unterschiedlicher Häufigkeit und Konzentration. Was der Teestrauch dem gesundheitsbewussten Trinker bereithält, hängt schon vom regionalen Standort und den von Jahr zu Jahr variierenden Klimabedingungen ab. Gehalt und Zusammensetzung des fertigen Getränkes werden dazu noch von den verwendeten Pflanzenteilen, der Verarbeitung und der Zubereitung bestimmt. Bei „Camellia sinensis“ garantieren vor allem die zwei jüngsten oberen Triebe und die Blattknospen die Hochwertigkeit des Tees. Je nach Verarbeitungsweise entstehen dann Schwarzer, Grüner und Oolong Tee. Sorte „Schwarz“ ergibt sich durch Rollen oder Schneiden der handgepflückten Blätter. Dadurch kann der Zellsaft austreten, und die enzymatische Fermentierung setzt ein – ein Prozess, der Catechine in orangerote Theaflavine und dunkelfarbige Thearubigine umwandelt. Durch dieses Verfahren verlieren die Teeblätter verglichen mit dem Grünen Tee aber auch bis zu einem Sechstel ihrer antioxidativen Wirkung. Denn bei diesem wird durch vorsichtiges Dämpfen und Trocknen der frischen Blätter die Fermentierung verhindert. Der hierzulande weniger bekannte Oolong Tee kann als eine Mischung zwischen „Schwarz“ und „Grün“ betrachtet werden. Geht es nun an die Zubereitung des passenden Teegetränkes, so empfiehlt Ralf Stohwasser einen Aufguss mit 80 Grad heißem Wasser. Wie lange der Tee dann ziehen sollte, hängt von der gewünschten Wirkung ab. Für die Freisetzung des „Muntermachers“ Koffein – früher im Tee auch „Tein“ genannt – reichen ganze zwei Minuten aus. Die ebenfalls enthaltenen Gerbstoffe mit ihren beruhigenden Eigenschaften, insbesondere für den Magen-Darm-Trakt, lösen sich indes erst nach etwa drei Minuten aus den Blättern. Im Sud verbinden sich Gerbstoffe und Koffein, was die belebende Wirkung der genannten Teesorten, zeitlich etwas verzögert, aber umso langanhaltender gegenüber koffeinhaltigen Kaffeesorten ausmacht. Ist Ihre Tasse schon leer? Denn: Molekularbiologe Stohwasser weiß zu berichten, dass „abgestandener“ oder längere Zeit warmgehaltener Tee quasi mit jeder Minute an gesundheitsförderndem Catechin verliert. „Nach zwei Stunden macht dies einen Verlust von einem Drittel des Substrates aus“, so der Potsdamer Forscher. Wie viel von besagten Getränken pro Tag konsumiert wird, sollte sich nach individuellem Bedarf und Verträglichkeit richten. Eine Spanne von vier bis zehn Tassen Grünem Tee pro Tag hält Privatdozent Stohwasser für durchaus empfehlenswert. Doch Vorsicht: Für Kinder gibt es keine Studien, die belegen, dass Schwarze, Grüne und Oolong Tees für sie von Vorteil sind. Sie sollten diese, schon wegen des darin enthaltenen Koffeins, möglichst meiden. Und bei aller Gesundheitsliebe und Behaglichkeit – die Tees von „Camellia sinensis“ müssen auch von den Erwachsenen nicht bis zum Exzess getrunken werden. Allein schon deshalb nicht, weil ein guter Rotwein noch wesentlich mehr antioxidativ wirkende Polyphenole enthält. Alexandra Esther

Alexandra Esther

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