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Homepage: Aus den Tiefen der Geheimarchive Publikation „Die UdSSR und die deutsche Frage“

Der Potsdamer Historiker Dr. Jochen Paul Laufer sah sich im Berliner Abgeordnetenhaus einem stattlichen Zuhörerkreis gegenüber, als er die gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Georgij Pavlovic Kynin herausgegebenen drei Dokumentenbände „Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948“ vorstellte.

Der Potsdamer Historiker Dr. Jochen Paul Laufer sah sich im Berliner Abgeordnetenhaus einem stattlichen Zuhörerkreis gegenüber, als er die gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Georgij Pavlovic Kynin herausgegebenen drei Dokumentenbände „Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948“ vorstellte. Die Edition ist Ergebnis eines Großforschungsprojektes, das vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam seit zehn Jahren betrieben wird. Warum der Abdruck und die Kommentierung von 489 Schriftstücken aus dem sowjetischen Außenministerium solch großes Interesse auslösten, wurde schnell klar: Über die sowjetische Politik gegenüber Nazideutschland und danach wird nach wie vor heftig gestritten. Für den Archivdirektor des Ministeriums, Aleksandr A. Churilin, ist die Aussage der Akten klar: Dort finde sich keine Stelle, die Hass auf das deutsche Volk erkennen lasse, die Sowjetunion habe sich auch im Interesse der Deutschen stets um Frieden und Stabilität in Europa bemüht und durch ihre Politik nicht zuletzt zur deutschen Wiedervereinigung beigetragen. Dies stieß im Podium erwartungsgemäß nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Der Bochumer Universitätsprofessor Bernd Bonwetsch, der in Moskau gerade die Gründung eines deutschen historischen Institutes erwirkt hat, leitet aus den Dokumenten die Tendenz ab, dass Stalin die deutsche Teilung befürwortete. Seinen Besitzstand im Osten zu sichern sei ihm wichtiger gewesen als ihn in einem gemeinsam mit den Westalliierten verwalteten Gesamtdeutschland aufs Spiel zu setzen. Für Bonwetsch geben die zu 90 Prozent bisher unveröffentlichten Akten keine neuen Antworten auf wichtige Fragen zur Deutschlandpolitik, so ob in der von Stalin dominierten sowjetischen Führung unterschiedliche Ansichten und Entwürfe für die Nachkriegsentwicklung existierten. Dies werde ungeklärt bleiben, wenn die russische Seiten wichtige Unterlagen nicht herausgibt, weil sie weiter der Geheimhaltung unterliegen. Nicht einmal ein Verzeichnis dieser Akten sei den Herausgebern zugänglich gemacht worden. Das rief wiederum Churilin auf den Plan, der sich für die Entsperrung der veröffentlichten Akten eingesetzt hat. Dies sei soweit geschehen, wie es die russische Gesetzgebung zulasse. Aus dem vor fünf Jahren geöffneten Archiv wurden bereits 100 000 Geheimakten freigegeben. Er werde in der Gewissheit nach Moskau zurückfahren, dass die deutschen Historiker sich besser auf den Umgang mit russischen Archiven verständen als die Russen selbst, merkte Churilin sarkastisch an. Der frühere ZZF-Direktor Prof. Dr. Christoph Kleßmann wies auf die restriktive Praxis der (ehemaligen) Ostblockstaaten bei der Herausgabe von Archivakten hin. Dem gegenüber stelle die für die Dokumentenbände gewährte Einsicht einen „gemäßigten Fortschritt“ dar. Dieser Fortschritt wird sich laut Kleßmann bei der Herausgabe des vierten Bandes, der die spannungsvollen Jahre 1948/49 mit der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten umfasst, weiter verstärken. Damit kündigte er gleichzeitig die Fortsetzung des vom Innenministerium und der Thyssen-Stiftung finanziell geförderten Projektes an, dessen Berechtigung Bonwetsch durch seine Einschätzung gewollt oder ungewollt auf den Prüfstand gestellt hatte. Podium und Publikum wurde sich aber einig, dass die Edition historische Theorien über die sowjetische Deutschlandpolitik auf eine festere sachliche Grundlage stellt und allzu kühnen Spekulationen den Boden entzieht.Eine zweite Bedeutung der Edition liegt in der Zusammenarbeit der Gemeinsamen Deutsch-Russischen Historikerkommission, wie sie vor 20 oder 15 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Erhart Hohenstein Laufer/Kynin (Hrsg.), Die UdSSR und die deutsche Frage, drei Bände, 2400 S.,Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004, Gesamtpreis 240 Euro, ISBN 3-428-11674-7.

Erhart Hohenstein

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