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Landeshauptstadt: Aus Feinden werden Gegner Steeven Bretz im Gespräch mit Lutz Boede

Selten wagt sich die Gazelle zum Löwen, das Korn zum Huhn und der Grashalm zum Schaf. Die Stadtteilkneipe „Nowawes“ des links-alternativen Lutz Boede war am Mittwoch für den leger in Sweater und Lackschuh gekleideten CDU-Fraktionsvorsitzenden Steeven Bretz trotzdem keine Löwengrube.

Selten wagt sich die Gazelle zum Löwen, das Korn zum Huhn und der Grashalm zum Schaf. Die Stadtteilkneipe „Nowawes“ des links-alternativen Lutz Boede war am Mittwoch für den leger in Sweater und Lackschuh gekleideten CDU-Fraktionsvorsitzenden Steeven Bretz trotzdem keine Löwengrube. Niemand wurde bei dem Gespräch innerhalb der von der Landeszentrale für politische Bildung unterstützen Reihe gefressen. Es herrschte zwischen beiden Kommunalpolitikern beinahe so etwas wie Herzlichkeit. Es half, dass Bretz die sonst bei Diskussionen üblichen Claqueure der Jungen Union zu Hause gelassen hatte. Man wirke schließlich als Person, sagte Bretz selbstbewusst.

Sichtbare Nervosität vor dem einstündigen Gespräch im politischen Feindesland der Szenekneipe zeigte der 1976 in Potsdam geborene Diplom-Betriebswirt und starke Marlboro-Raucher nicht. Boede mühte sich, im Rahmen der Höflichkeit durch leichte Provokationen die Persönlichkeit seines Gastes hinter den bedachtsam formulierten Antworten hervor zu locken. Getreu dem Motto, nicht die Meinung interessiere, sondern die Gründe, die zu dieser geführt haben.

Doch die Positionen zu Adenauerstraße („Ich habe die emotionale Diskussion auch nicht verstanden“) und Lenindenkmal, Stadtschloss und Einkaufszentren, Uferweg und Neubaugebieten klangen dafür zu glatt. Der Mangel an unterhaltsamen Widersprüchen lag vielleicht an dem, was Bretz von Wieland Niekisch gelernt haben will und sich fast mystisch anhört: „Die Bedeutung der Worte.“ Sie waren wohl gesetzt.

Dass wenig wirklich Persönliches in den Raum mit 15 Zuhörern drang, lag sicher auch daran, dass Bretz gleich zu Anfang die Fragen zu seiner Freundin Cindy – die ihn auf einem umstrittenen Wahlplakat mit einem Kuss die „Liebe zu Potsdam“ versicherte – mit einem „kein Kommentar“ abblockte. Den Vorwurf, die Innenstadtentwicklung gegenüber den Neubaugebieten zu bevorzugen, entkräftete Bretz am eigenen Beispiel: „Ich wohne immer noch in meiner Studentenbude im Schlaatz.“ Dort hätte sich viel getan. Innenstadt sollte nicht immer gegen Neubaugebiete ausgespielt werden. Beides gleichzeitig zu entwickeln wäre richtig.

Ein Zuhörer wollte sich dem Phänomen, einen fast gleich jungen Konservativen vor sich zu sehen, mit der Frage nähern, ob man sich die Junge Union, der Bretz zeitweise vorsaß, wie eine Subkultur vorstellen müsse, die bestimmte Kneipen aufsuche und sich nach bestimmten Regeln kleide. Das sei langweiliger, als man es sich vorstelle, so Bretz, der Kohl- Bewunderer: „Wir sind Leute, die einfach die gleichen politischen Interessen haben.“ Die Antwort auf die Frage nach Bretz’ christlichen Überzeugungen in einer von dem großen „C“ geleiteten Partei offenbarte Ehrlichkeit. „Ich bin ein Kind der DDR und dazu stehe ich.“ Heute habe er jedoch einen Gottesbezug, den er sich über die Lektüre von Immanuel Kant erworben habe.

Ein Abend, geeignet, mustergültig das Funktionieren der Zivilgesellschaft zu demonstrieren. Politische Kontrahenten, denen die Jahre im Geschäft ganz sicher auch unfeinere Methoden beigebracht haben, tauschen friedlich und respektvoll ihre Ansichten aus. Keiner pöbelt, keiner verlässt den Saal. Es gibt nur noch politische Gegner, schon lange keine Feinde mehr.

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