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Homepage: Wie Günter Grass sich seiner Schuld entledigte

Klaus Briegleb an der Uni über Antisemitismus in der Gruppe 47

Klaus Briegleb an der Uni über Antisemitismus in der Gruppe 47 Als sich 1947 eine Gruppe junger literarisch engagierter Menschen zusammenfand, um die Gruppe 47 zu bilden, gab es gegen sie den Vorwurf des Antisemitismus. Die Literaten wiesen ihn von sich, obwohl sie sich zunächst noch als „völkische“ Gruppe bezeichneten. Schließlich hatten sie mit der Vergangenheit gebrochen, wollten von Tradition und Bildung nichts wissen und zählten auch Juden zu ihrer Gruppe. Keiner wäre auf die Idee gekommen, antisemitische Bemerkungen fallen zu lassen. Doch es setzte sich auch keiner mit jenem Vorwurf auseinander. Letztes Jahr hat der Literaturhistoriker Klaus Briegleb, Professor em. der Universität Hamburg, sein Buch „Missachtung und Tabu“ veröffentlicht, in dem er die Frage stellt, wie antisemitisch die Gruppe 47 tatsächlich war. Im Rahmen der Ringvorlesung „Juden und Judentum in der deutschsprachigen Literatur“ an der Universität Potsdam sprach Klaus Briegleb über die Darstellung des Holocaust-Überlebenden Feingold in Günter Grass Roman „Die Blechtrommel“ (1959). Was genau hat Günter Grass (geb. 1927 in Danzig) gemeint, als er in seinem Buch „Im Krebsgang“ (2002) behauptete, er habe sich an der Übermächtigkeit von Schuld und an bekennender Reue müde geschrieben? Günter Grass bezog diese Bemerkung auf sein Frühwerk und erklärte so, weshalb er aufgehört habe, die Shoa zu thematisieren. Klaus Briegleb zeigte jedoch, dass in den frühen Romanen von Grass keine Reue und kein Schuldgefühl zu finden seien. Vielmehr werde in der „Blechtrommel“ das Stereotyp eines Juden wiederholt, ohne kritisch bearbeitet oder besprochen zu werden. Ohne die Bemühung, eine andere Gestaltung der jüdischen Figur zu suchen, geschweige denn auf die Geschichte der Juden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg einzugehen. So entstand eine lieblos gezeichnete Figur, die sich aufgrund ihrer Geschichtslosigkeit leicht in die literarische Groteske, als die Klaus Briegleb „Die Blechtrommel“ bezeichnete, einfügen ließ. Diese Figur, den Juden Feingold, ließ Grass sagen, der tote Nazi liege so da, wie auch seine durch Gas getöteten Angehörigen in Treblinka dagelegen hätten, bevor sie in die Öfen gekommen waren. So habe es, meinte Klaus Briegleb, bereits 1959 jene Geschichtslüge gegeben, die 2002 wieder in Mode gekommen sei und die deutschen Opfer mit den jüdischen Opfern vergleichbar glaube. Als Gegenbeispiel und Antipoden zu Grass nannte Klaus Briegleb den jüdischdeutschen Schriftsteller Edgar Hilsenrath (geb. 1926 in Leipzig). Dessen Roman „Der Nazi und der Friseur“ (1977) benutze das stilistische Mittel der Groteske und des jüdischen Witzes, um das Undarstellbare darzustellen. Im Gegensatz zu Grass ließ er die Geschichtlichkeit nicht außen vor, sondern integrierte sie in seine Erzählung. Da Grass“ Werk keine Spur von Reue zeige, habe Günter Grass, so interpretierte Briegleb, sich vielleicht nur darum bemüht, sein eigenes Schuldgefühl abzuarbeiten, also loszuwerden. In der anschließenden Diskussion, die Klaus Briegleb im halb vollen Hörsaal höchst interessiert und konzentriert führte, warf er die Frage auf, warum es keinen wirklichen Dialog zwischen den nichtjüdischen und den jüdischen Mitgliedern der Gruppe 47 gegeben hatte. Warum wurde nicht über die Shoa diskutiert? Warum beanspruchten die nichtjüdischen Literaten die Hegemonie gegenüber der jüdischen Kultur, anstatt sich ihr anzunähern? Erst jetzt scheint diese Versteinerung aufzubrechen, meinte Briegleb mit Hinblick auf den gerade aktuellen Fall Walter Jens. D. Schnürer Am 14. Januar spricht Thomas Jung: „Wenn Romeo Jude ist Das Dilemma des Philosemitismus in einem populär erzählten Gegenwartsroman“. 17 Uhr, Unikomplex Am Neuen Palais Haus 11, Raum 0.09 .

D. Schnürer

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