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Kultur: „... das alte Jahr vergangen ist“

Konzert am Neujahrstage mit Mike Stodd und Björn O. Wiede in der Bornstedter Kirche

Konzert am Neujahrstage mit Mike Stodd und Björn O. Wiede in der Bornstedter Kirche Von Gerold Paul Was gibt es Schöneres, als das Jahr 2004 mit geistlichen Worten und der wortlosen Macht der Musik zu begrüßen, wie am Neujahrstag in der schönen Kirche zu Bornstedt. In einem so festlichen wie opulenten Programm gaben sich die Königin aller Instrumente mit ihrem König die Ehre, oder dem Herold, als der Trompetenklang ist. Björn O. Wiede und der Berliner Mike Stodd, beide dem Potsdamer Publikum nicht unbekannt, präsentierten in der fast übervollen Kirche ein Neujahrskonzert voller Glanz. Von Händels Suite D–Dur über ein sehr reichhaltiges Improvisationsprogramm lyrischer Art reihten sich mit Bach, Haydn und Telemann Glanzpunkt an Glanzpunkt, wie Perlen an einer Schnur. Nachdem Händels bekanntes Eingangsmotiv von der Kanzel her erscholl, gedachte die Geistlichkeit des Hauses der noch immer währenden Weih-Nächte, die bis zum Dreikönigstag dauern. Gute Wünsche der Weisen aus dem Morgenland sollten alle Menschen mit Zuversicht durch das neue Jahr geleiten, auch Einsame, Kranke und Kinder. Selbiges Thema eröffnete das von der Empore her gegebene Konzert als Reprise. Viele Koloraturen in der Ouvertüre der Suite D-Dur, umfangreiche Orgelparts in der Gigue, Mike Stodd''s Bach-Trompete wusste alle Festlichkeit aus diesen Sätzen zu ziehen. Bourée und Marche wurden mit Raffinesse gegeneinander gesetzt, ersterer in verspielter Kürze, der Finalsatz in kraftvoller Tönung von Tiefe. Mit dieser Komposition erwies man nicht nur Händel Referenz, sondern auch der einmanualen Bornstedter Orgel, deren bemalte Pfeifen an die enge Bindung der Hohenzollern zum englischen Königshause erinnert. Dann folgten interessante Improvisationen auf bekannte Weihnachtslieder in Choral- oder gregorianischer Tradition, etwa „Gelobet seist du, Jesu Christ“, zu dessen behuf Mike Stodd zur Konzert-Trompete wechselte. Was man in seiner „reinen“ Form in jedem Gesangbuch findet, verwandelte die Improvisationskunst der Musiker in ein Meer von Zwischentönen, etwas ungewohnt dem Ohr, weil man den Ton der Moderne verspürte. Aber es ist ja überliefert, dass die neue Musik von Bach, von dem „Orgelchoräle zur Weihnacht“ erklangen, zu seiner Zeit als Unruh-Stifter galt. Heute nennt man das „Klassik“. Johann Gottfried Walthers Partita „Allein Gott in der Höh'' sei Ehr" hingegen geriet zu einem sehr ausgewogenen, dynamischen und harmonischen Stegreif-Gebilde. Kunststück, galt dieser Komponist, ein Zeitgenosse von Bach, als Meister der Choralbearbeitung. Eines böhmischen Anonymus'' Präludium und Fuge D-Dur setzte dieses Konzert in schwerem, aber ruhigen Läufen fort - ein kurzes Stück, aber mit großem Gewicht. Drei Perlen, wie sie für eine glückliche Ehe von Trompete und Orgel zeugen, wirkten wie eine Parenthese zu diesem glanzvollen Programm: Genau im Zentrum postiert, hörte man César Franck''s himmlisches Allegretto aus der Sinfonie d-Moll, dann ein nicht minder zauberhaftes Andante aus der 5. Sinfonie von Tschaikowski, während Charles Gounod dem bekannten Ave Maria-Motiv Bach''s Partita C-Dur sehr geschickt untergelegt hatte. Das war nun mit Inbrunst georgelt und geblasen. Bevor es zum Finale ging, fügte Björn O. Wiede noch ein Kleinod des Meisters ein, die Bearbeitung des Orgelchorals „Das alte Jahr vergangen ist“ durch Bach''s eigene Hand, dergestalt, dass sich, als Referenz zu jedem Jahresbeginn, genau 365 Töne nachzählen lassen, was auch im Schaltjahr 2004 kein Problem darstellen dürfte. Zwei Praeambuli für Orgel von Haydn führten zum festlichen Abschluss, dem sehr geschlossen wirkenden Concerto D-Dur von Telemann, darin sich, vor dem festlichen Vivace, zwei wunderbar melancholische Grave fanden. Zwei Zugaben nach dankbarem Beifall, und die eine Gewissheit, dass mit so hoher Kunst das Jahr nun in Frieden beginnen möge.

Gerold Paul

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