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Kultur: Ein Stück ehrliche Nüchternheit Logh aus Schweden gastierten im Waschhaus

Ein Auto schleudert langsam über eine Schnee bedeckte Straße. Und da logh aus Schweden kommt, sieht die Landschaft skandinavisch aus.

Ein Auto schleudert langsam über eine Schnee bedeckte Straße. Und da logh aus Schweden kommt, sieht die Landschaft skandinavisch aus. Zugefrorene Seen und verschneite Bergkämme. Eine Kurve. Alles in Zeitlupe. Dem Fahrer wird übel. Er wird nicht gegen einen Baum schleudern, aber in ein Gestrüpp. Blech wird gegen Äste kratzen. Ein hässliches Geräusch. Logh stehen auf der Bühne im Waschhaus. Ihr Gitarrenrock schlingert wie in Slow-Motion durch den halb vollen Saal. Wenn Frontmann Mattias Friberg singt, ist es, als ob er immer wieder aus seinem gerade verunglückten Auto aussteigt, um den Schaden mit dünner Flüsterstimme zu beklagen. Nebel steigt hinter ihm auf, wie aus einem defekten Kühler. Melancholie entsteht aus dem Gespür für Verlust.

Vielleicht hätte logh die Kurve besser gekriegt, wenn sie nicht die Handbremse gezogen hätten. Vielleicht hätten sie mehr Gas geben können. Als sie überraschend beim vorletzten Stück doch noch ans Limit kommen und ihre Instrumente glühen lassen, kommentiert Friberg den kräftigsten Applaus des Abends mit den Worten: „Ich glaube, wir haben heute immer die falschen Stücke gespielt.“

Genügend Kraft hatten sie mitgebracht. Dreizehn Gitarren stehen am Rand der Bühne wie in einem Musikladen aufgereiht. Zur Band gehört extra ein Gitarrenangeber, jemand, der den sehr konzentrierten beiden Gitarristen fast nach jedem Akkord ein neues Instrument anreicht. Wenn das mal nicht nötig ist, schlägt er ein Tamburin, was seltsam deplaziert erscheint. Wie eine Maultrommel in der Oper.

Logh spielen orchestralen Gitarrenrock. Ihre Stücke erzählen in windschiefem Moll mit einem vierstimmigen Satz E-Gitarren aufgetürmte Schichtengebirge. Auf ihren wüsten Gipfeln pfeift stetig ein markanter hoher Gitarrenton die Melodie, ein bisschen wie im Western. Dabei wird jedem Akkord, jedem Ton genügend Zeit mitgegeben. Ihnen wird nachgehorcht. Die Stücke sind kleine Dramen, die einer schwermütigen Theatralik folgen. Ein neuer Akt wird durch abrupten Tempowechsel angezeigt. Alles klingt seltsam ausgedörrt. Hier sind die Noten Flechten und ihre Hälse Krüppelkiefern. Wenn es aus dem Tal geht, dann donnert schließlich das Schlagzeug, als wenn Schneeketten auf Asphalt treffen. Und dann geht es wieder hinunter, dahin, wo es einsam ist. Logh in ihren schwarzen Hemden verbinden mit ihrem Gitarrensound sichtbar keinen Spaß. Sie tragen schwer an sich und der Welt. Wie soll man so die richtige Spur halten?

Ihre Vorband, idledew aus Magdeburg, litten am Andersseinwollen-Syndrom. „Bin ich anders?“ fragte sich der Sänger der „müßigen Tautropfen“. Noch so eine zarte Jungsband auf den Spuren von Travis und Coldplay, die mit hohem Sirenengesang nach dem kleinen Unterschied sucht und ihn gerade so nie finden wird.

Einerseits ist es rührend zu sehen, wie sich eine Band bemüht, Bühnenschwere zu erreichen. Das eigene Ach und Weh bewegt den Sänger am stärksten. Andererseits verkennen die gebrochenen, selbstmitleidigen, ihre Beine ineinander verschlingenden Heulsusen den Wunsch nach Pose im Publikum. Nach echten Mackern, nach Show und Rock“n Roll. Und nach Angeberei, Arroganz und Selbstironie. Idledew und auch später logh wollten dazu nicht fähig sein. Ein Stück ehrliche Nüchternheit, das sich bei beiden Bands auch musikalisch ausdrückte. Das ist durchaus anerkennenswert. Aber es bleibt dabei: der Wahnsinn bleibt der beste Rocker.

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