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Kultur: Fröhliche Himmelfahrt

„Die Grauen Zellen“ gastierten in Groß Glienicke

„Die Grauen Zellen“ gastierten in Groß Glienicke Inwiefern Schutzengel im Zeitalter der Versicherungen noch eine Daseinsberechtigung haben, ist letztlich Ansichtssache. Immerhin gaben „Die Grauen Zellen“ in ihrer musikalisch-kabarettistischen Himmelfahrt in der Senioren-Residenz Groß Glienicke einem nimmermüden Schutzengel (gespielt von Karin Fischer) eine Chance. „Warte nicht auf gute Geister, glaub'' an deine eigene Kraft!“, lautete nach einer prallen Stunde bester Unterhaltung zum guten Schluss die frohe Botschaft, mit der sich die zehn Darsteller der Berliner Theatertruppe von einem überaus dankbaren Publikum verabschiedeten. In der Senioren-Residenz zeigten die „Grauen Zellen“, welche Energien das Theaterspiel auch noch im hohen Alter freisetzen kann. Gisela Lau, mit 86 Jahren das älteste Mitglied der vor 25 Jahren gegründeten Theatergruppe, entfaltete in ihrem komischen Monolog als einsame, das Leben vom Türspion aus verfolgende Lady eine große Bühnenpräsenz. Sehr schön auch die Dynamik, die sich in der U-Bahn-Szene bei der Begegnung zwischen einer alten Dame (Ursula Zobel) und der nur auf den ersten Blick so andersartigen Punkerin (Inge Schoubyé) entfaltete. Das Themenrepertoire der abwechslungsreich aufbereiteten Nummernrevue aus selbstgetexteten Liedern, Monologen und Dialogen umspannt Alltagssorgen und das Alleinsein im Alter ebenso wie genmanipuliertes Essen und geklonte Natur. In einer lockeren Szenenabfolge mischen sich humoristische Engelsszenen im Himmel mit den – nicht selten hausgemachten – Problemen der Menschen, lösen clowneske Einlagen und ernste Töne einander ab. Viel von seiner Spritzigkeit verdankt das Stück dabei der Musik (Akkordeon: Marianne Poczatek und Harald Weingärtner), die von Anbeginn eine Brücke zum Publikum schlägt und die Spannung bis zum letzten Moment aufrecht erhält. In den schmissigen Zugabesong der „Grauen Zellen“ war dann am Ende noch einmal alles hineingepackt, was auch die anderen am Berliner Theater der Erfahrung bestehenden drei Laientheatergruppen programmatisch ausmacht: Türen zu öffnen, unter die Menschen zu gehen und Gemeinsamkeit zu suchen. In diesem Sinne erweiterten „Die Grauen Zellen“ in jüngster Zeit ihre Arbeit, indem sie zusammen mit türkischen Migranten - nunmehr als „Bunte Zellen“ - ein ganz neues Programm entwickelten. Gemeinsam ist allen Gruppen, dass sie für alle theaterbegeisterte Menschen offen sind, sofern sie die Fünfzig überschritten haben. Bei den „Grauen Zellen“ spielen Menschen mit Ost- und Westbiografien in wunderbarer Eintracht zusammen. Wobei Ost-West inhaltlich eigentlich nie Thema war, wie Marianne Kirschke nach ihrer 300. Vorstellung nicht ohne Stolz verlauten ließ. Bleibender Eindruck des Nachmittags, der unbedingt nach einer Wiederholung verlangt, ist die Lust der vor Energie sprühenden Darsteller am TheaterspielAlmut Andreae

Almut Andreae

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