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Kultur: „Last minute“ – ein Besenkammerspiel

Film der HFF-Studentin Marina Caba Rall beim Aktuellen Filmgespräch

Film der HFF-Studentin Marina Caba Rall beim Aktuellen Filmgespräch Berlin am frühen Morgen. Wecker reißen Menschen aus ihren Betten. Die tägliche Qual nimmt ihren Lauf. Frau Eggert muss ihre Traumwelt aus Sonne, Strand und attraktiven Südländern verlassen: Die Kinder werden geweckt, die Auseinandersetzung mit dem muffligen Ehemann ist unerfreulich und das grelle Licht in den öffentlichen Verkehrsmitteln schmerzt in den Augen. Eine Zeitung mit großen Überschriften erörtert die Gefahren des internationalen Terrorismus. Verunsichert hebt die Leserin den Kopf und wirft einen Blick auf die Kopftuchträgerin, die hinter ihr sitzt. Später wird man erfahren, dass Frau Eggert mehrheitlich mit türkischen Kolleginnen zusammenarbeitet und dennoch bereitwillig Vorurteile und Misstrauen gegenüber Ausländern aufnimmt. Mit ihrem Abschlussfilm „Last minute“ legt die ehemalige Studentin der Potsdamer Filmhochschule, Marina Caba Rall, Widersprüche offen. Am Dienstag war die Regisseurin und Drehbuchautorin beim Aktuellen Filmgespräch des Filmverbands Brandenburg Gast im Filmmuseum. Entgegen ihren Träumen von braun gebrannten Männern an südlichen Stränden erweist sich Heike Eggert (Petra Kleinert) als mit Vorurteilen gegen alles Fremde beladen und weder ihre frustrierende Ehe, noch ihr Job als Putzfrau am Flughafen entsprechen ihren Vorstellungen vom glücklichen Leben. Auch ihrer neuen Kollegin Nina (Katharina Schmalenberg), die jung, ungewollt schwanger und vorbestraft ist, tritt „Frau Eggert“, wie sie genannt werden möchte, voller Misstrauen entgegen. Als der mutmaßlich kriminelle und polizeilich gesuchte kurdische Asylbewerber Kawa (Ercan Durmaz) in die trostlose Vorratskammer, in der sie mit Schlagern und Sangria ihrem Arbeitsalltag zu entfliehen versucht, einbricht, prallen die Vorurteile aufeinander. Doch je mehr die drei Protagonisten von einander erfahren, desto brüchiger wird die Mauer aus Misstrauen. Mit den lakonischen Kommentaren Ninas untermalt, entwickelt Caba Rall, selbst spanisch-deutscher Herkunft, bisweilen etwas holzschnittartig, jedoch mit gekonnter Balance aus Witz und Ernst, ihre Geschichte, bis die drei am Ende dazu bereit sind, sich gegenseitig zu helfen. „Ich wollte nicht, dass es Drama oder komödienhaft flach wird“ erläuterte die Regisseurin ihr „Besenkammerspiel“. Sie habe sich mit ihrer Weigerung, sich auf ein Genre festzulegen, auch über die Zweifel ihrer Lehrer hinweggesetzt. Der Film ist durch die sichere Führung der Schauspieler und liebevolle Details in deren Spiel geprägt. Die Erfahrungen als Putzfrau, die sie als Studentin gesammelt habe, so die Regisseurin, hätten ihr dabei ebenso wie der dokumentarisch beobachtende Blick, der ihr an der HFF beigebracht worden sei, geholfen. Leider stellt sich die Frage der Vertretbarkeit von Abschiebungen nicht nur, wie der Film glauben lassen könnte, bei „unschuldigen“ Asylbewerbern wie Kawa. Und leider beschränken sich Vorurteile nicht auf Besenkammern und wenig weltgewandte Reinigungsfachkräfte. Umso bemerkenswerter ist, dass Caba Rall zeigt, dass gerade diese dazu bereit sein können, ihre Aversionen – entgegen gängigen Vorurteilen – zu hinterfragen. Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

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