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Kultur: Meditative Langsamkeit

Mit Paco Dècinas „Soffio“ klangen die Internationalen Potsdamer Tanztage aus

Mit Paco Dècinas „Soffio“ klangen die Internationalen Potsdamer Tanztage aus Langsamkeit ist schwieriger als Schnelligkeit. Das gilt besonders für den Tanz, bei dem Langsamkeit die absolute Beherrschung jeder Sequenz einer Bewegung erfordert. Von seinen drei Tänzerinnen (Valeria Apicella/Italien, Noriko Matsuyama/Japan, Emilie Praud/Frankreich) und drei Tänzern (Orin Camus/Frankreich, Jorge Crudo/Argentinien, Rodolphe Fouillot/Frankreich) fordert der Choreograph Paco Dècina (Frankreich/Italien) Langsamkeit, weil er möchte, dass sie nur das tanzen, was tief aus ihrem Innern kommt. Sie sollen sich nicht hinter choreographischen Anweisungen verstecken. Denn die Essenz des Tanzes, so erzählte Paco Dècina im Publikumsgespräch, sei nicht die Bewegung, sondern etwas anderes, was er jedoch schwer benennen könne. Seine Choreographie „Soffio“ (Atem), mit der die Tanztage vor vollem Saal zu Ende gingen, fordert vom Publikum, dass es sich auf die Langsamkeit einlässt. „Soffio“ beginnt in der Stille. Die Tänzerinnen und Tänzer stehen auf der spärlich beleuchteten Bühne. Nach und nach gehen Bewegungen durch die Gruppe, einzelne lösen sich aus ihrer Position, tanzen zu einem Partner, verdrängen oder umtanzen den anderen. Kurzer Kontakt, ein Bein, ein Arm, ein Kopf nimmt den Bewegungsimpuls auf und der Körper folgt ihm, bis er ausläuft oder von einem neuen Impuls abgelöst wird. Atmende Bewegungen, sie beginnen langsam, werden schneller und verlangsamen wieder. Die ganze Gruppe scheint von einem gemeinsamen Atem bewegt zu werden. Auch wenn jeder etwas anderes tanzt, ist das Anschwellen und Abschwellen der Bewegungen synchron. Ein Tänzer bleibt auf der Bühnenmitte sitzen, die anderen gehen ab. Das gelbliche Licht wird bläulich, indische Musik ertönt, sie hat etwas Meditatives. Jetzt treten die anderen wieder auf und beginnen in wechselnden Gruppierungen zu tanzen. Ihre Bewegungen passen sich der Atmosphäre der Musik an, sie sind schwingend, verlangsamend. Viel Tanz am Boden, fließender Paar- oder Gruppentanz. Die Körper scheinen in Kontakt zu stehen. Auch wenn sie sich nicht berühren, reagieren sie aufeinander, als wäre keine Luft zwischen ihnen. Es war schön, diesem Tanz zuzuschauen. Besonders aufgrund des Könnens der Compagnie, fast jede Bewegung schien vollkommen ausgeführt. Doch das Tanzstück dauerte fast anderthalb Stunden. Zwar brachen schnelle Passagen mit kräftigerer Musik oder Geräuschräumen die meditative Langsamkeit auf, doch das änderte nichts an dem in sich Kreisen der Aufführung. Die Tänzerinnen und Tänzer schienen derart aufeinander konzentriert, versanken in Umarmungen, spürten sich mit geschlossenen Augen ineinander hinein, dass in den Zuschauerreihen durchaus die Frage auftauchen konnte, warum man das nun schon zum zehnten Mal interessant finden soll. Es gab keinen Spannungsbogen, der den gesamten Abend umfasste. Mehrmals schien das Ende gekommen, doch dann ging es wieder los, in der Art wie zuvor. Warum tauschten zwei aus der Truppe ihre langen Hosen gegen kurze ein? Warum schon wieder ein Abtritt und hier dieser Auftritt? Warum sind die seltenen Blicke zum Publikum so ausdruckslos ernst? Wo schweben diese Menschen und was wollen sie mitteilen? Dem Großteil des Publikums hat die Aufführung jedoch gefallen, es applaudierte begeistert.

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