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Kultur: Mediterrane Heiterkeit

Claudio Brizi an Woehl-Orgel der Friedenskirche

Claudio Brizi an Woehl-Orgel der Friedenskirche Es wie bei einer Audienz. Während die Königin spricht, blickt man ihr ins Angesicht. Jeder Blick ein Genus. Dabei entdeckt man ihr faltenfreies Dekolleté, ihren goldglänzenden Teint, ihre aufgefrischten Gewänder Sehr erfreulich, dass die Stühle auch beim Konzert mit dem italienischen Organisten Claudio Brizi so aufgestellt sind, dass dem Konzertbesucher der Anblick der Woehl-Orgel ermöglicht ist. Der inneren Zwiesprache mit Instrument wie den erklingenden Werken kann solche Hinwendung nur dienlich sein. Ob diese Sitzordnung zum Standard bei Orgelrecitals werden könnte?! Seit 1987 ist Brizi immer wieder in Potsdam aufgetreten. Er begeisterte (als Cembalist) bei den Musikfestspielen genauso wie beim Internationalen Orgelsommer. In der Friedenskirche hatte er mit den zunehmenden Gebrechen der „Queen Mum“ zu kämpfen. Nun also erhält er – quasi als Entschädigung für unfreiwillig erlittene Unbill – die Gunst der (reichlichen) Stunde, als erster Gast auf der Orgelbank sitzen und die Geheimnisse der Orgel ergründen zu dürfen. Zum Auftakt wählt er die vierstimmigen Choralvariationen "Onse Vader in hemelrijk" von Jan Peterszon Sweelinck (1562-1621). Leicht und lieblich, reich verziert und warm getönt erklingt die Melodie im Cantus firmus. Die 3. Variation beispielsweise erhält durch die Verwendung des Registers "Trompette harmonique" einen überaus festlichen Charakter. Erneut bestätigt sich, dass Claudio Brizi ein Meister filigraner, unaufwendig registrierender und überlegt gestaltender Spielkunst ist, der sich in die Seele jedweden Instruments einfühlen kann. Die Frage aller Fragen, wie Johann Sebastian Bach auf dem neuen Instrument wird klingen können, beantwortet er mit Auszügen aus der "Orgelmesse" mehr als eindeutig: in mediterraner Heiterkeit. Das umrahmende Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 lässt er wahrlich als eine glanzvoll strahlende Festmusik mit kapriziös tändelndem Thema im fröhlich gestimmten Metrum erklingen. Als Basisregister zieht er dafür natürlich Prinzipalstimmen, die weich und warmgetönt erschallen. Die Choräle deutet er textnah aus. Dem „Dies sind die heil''gen zehn Gebot“ BWV 678 erzeugt er durch inniges Spiel und der „Konzertflöte“ sanft wiegende Stimmungen. Dieses Register (von Sauer, 1909) befand sich einst im Hauptwerk und hat nun seinen Platz im schwellbaren Oberwerk (2. Manual) erhalten. Kraftvoll ertönt das Bekenntnis "Wir glauben all'' an einen Gott" BWV 680, leicht schnarrend (Trompette harmonique) das „Christ, unser Herr zum Jordan kam“ BWV 684. Fröhlich hüpfend und von der Pedalstimme umspielt gleicht der Choral „Jesus Christus, unser Heiland“ BWV 688 einem mediterranen Freudenfest. Zärtlich und besänftigend sollen die vier Duette (BWV 802-805) wirken, weshalb Claudio Brizi sich für erlesene Flötenmischungen entscheidet. Im Duetto I e-Moll beispielsweise lässt er die Rohrflöte (Sauer, 1909) in einen reizvollen, wie hingetupft wirkenden Dialog mit der Flauto dolce (Heise, 1847) treten. Dessen weitere, wieder verwendeten Register bestimmen die Wiedergabe von Felix Mendelssohn Bartholdys Sonata VI aus op. 65. Hinzugezogene „Geigenschwebung“ und „Quintade“ sowie Schweller lassen das frühromantische Werk in seiner luftigen und filigranen Schönheit entstehen. Peter Buske

Peter Buske

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