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Kultur: Tür auf, Tür zu und Kunst kaufen

Ein Rundgang durch das Potsdamer Künstler- und Gründerzentrum „Seehstrasse“

Ein Rundgang durch das Potsdamer Künstler- und Gründerzentrum „Seehstrasse“ Von Matthias Hassenpflug Eisekalt ist es draußen, an diesem Sonntag, den das Künstlerhaus „Seehstrasse“zum Tag des offenen Ateliers ausgerufen hat. Der Frost setzt sich im Foyer des einstigen DDR-Objektes fort, in den für das Publikum geöffneten Ateliers mühen sich die Elektroöfen. Es sind nicht viele Besucher, die an diesem Tage den Weg in die drei Geschosse des Zweckbaus finden, dessen Hässlichkeit wie eine Provokation in dem stillen Villenviertel wirkt. Doch die, die gekommen waren – Paare im gesetzten Alter zumeist – rütteln gespannt an den Türen. Viele sind verschlossen, weil nur die Künstler, aber nur wenige der anderen Existenzgründer da sind. Finden die Besucher Einlass, nehmen sie sich Zeit für Gespräche mit den Gastgebern. Eine entspannte Stimmung. Im Künstlercafé „Seesam" werden bissfeste Muffins gereicht. Gleich dahinter liest man die Biografie des „Töpferkindes“ und Holzbearbeiters Friedrich August Bielenstein, die unter bürgerlichen Aspekten durchaus als verkorkst gelten muss. Hier, neben den Arbeiten des Künstlers – Holzhaarspangen, Wurzelskulpturen und Messergriffe, die alle wunderschöne Maserungen besitzen – verbreitet der Text Heiterkeit. Nun hat ein junger Mensch seine Berufung gefunden, seine Werkstatt befindet sich im Keller. Im ersten Stock befindet sich das Modeatelier „Elviras Design“. Die Wände sind mit Stoffbahnen geschmückt, 70-er Jahre, Pink die Vorhänge. Elvira, die früher ein Modeatelier in Moldawien führte, bezog als Letzte das Künstlerhaus. Nunmehr sind alle Räume vergeben. Sie schneidert nach Maß, ob Herrenhemd oder halbtransparentes Tanzkostüm, Spezialität: Materialmix mit Kaninchenfell. Den Gang weiter unten hat Christian Stötzner, einer der drei Ideengeber des Hauses, sein Atelier. Seine Landschaftsgemälde setzen sich aus horizontalen Pinselstrichen zusammen. Kneift man die Augen zu, wird aus Grün, Orange und Braun eine Feldflur und eine Dorfsilhouette. „Sicher“, sagt Stötzner, „kann man auch Bilder kaufen.“ Dafür wäre so ein Tag des offenen Ateliers ja schließlich da. Hat nicht Florian Illies gerade in seiner Kunstzeitschrift „Monopol“ den Trend zum Kunstsammeln ausgerufen? Über Preise ließe sich immer reden, lädt Stötzner zum Wagnis ein, man könne ein Bild auch mal für zwei Wochen zur Probe nach Hause nehmen. Im Atelier von Susanne Ramolla hängen merkwürdige, schwammartige Bündel an den Wänden. Angefangen hat es mit Omas Haarnetz, das Ramolla einfach mit „Strukturen“ zu füllen begann, die sie interessierten: Lindenblüten, Hundehaar und Schafwolle. Eine einfache Idee mit überraschender Wirkung. Um Haare geht es auch auf ihren großen Formaten. Beidhändig führte sie rote Kugelschreiber in tausenden, sich überkreuzenden feinen Linien über einen riesigen Papierbogen. Die so erzeugte Margenta farbene Weichheit verbunden mit der fast fühlbaren Anstrengung beim Malprozess dieser Struktur sind betörend. Hinter der nächsten Tür kann man der Malerin Claudia Hauptmann über die Schulter sehen, wie sie den letzten Strich auf zwei niedliche Kinderportraits setzt. Eine Auftragsarbeit. In vielen der Motive spiegelt sich das Gesicht der Künstlerin selbst wider. Ob die Schriftstellerin Renate Wullstein, die hier eine Schule für Schulverweigerer gegründet hat, Modedesignerin Christin Lau, die Schickes aus Naturmaterialien näht oder Malerin Olga Maslo: alle arbeiten gerne hier und freuen sich besonders über den regelmäßigen Austausch mit Kollegen und Gästen. Wie am morgigen Mittwoch, wenn zu HipHop der Potsdamer Gruppe „Triangle" eingeladen wird. After-Work-Party am Mi., den 2.02., ab 18 Uhr, Seestraße 11.

Matthias Hassenpflug

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