zum Hauptinhalt

KulTOUR: „Damit unsere Brüder sehen, wie wir leben“

Die urchristlichen Hutterer in Kanada: Premiere für „Insel der Seligen“ im Scala-Kino in Werder

Werder - Die Männer tragen Hüte, ihre Frauen und Töchter altmodisch lange Röcke und Kopftücher. Sie leben in einer ordentlich anzuschauenden Kolonie unter sich, bestreiten ihr Leben durch Ackerbau und Viehzucht, Verkauf und Selbstversorgung. Anstelle eines Bürgermeisters gibt es die morgendliche Ratsversammlung der Männer, Priester werden aus der eigenen Mitte gewählt – jener, von dem man denkt, dass er es am besten könne – studiert hat eh keiner.

Etwa hundert Personen fasst „Pinch Creek“, eine Siedlung von „Hutterischen Brüdern“ im östlichen Kanada, wo die Hügel vor einer grauen Bergkette sanft und fruchtbar sind. „Amerika“ hat diese anabaptistische oder wiedertäufische Religionsgemeinschaft vor Jahrhunderten aufgenommen, die sich weder von Lutheranern noch von Katholiken vereinnahmen ließ und als „Sekte“ verworfen, verfolgt und dezimiert worden war. Sie lehnen noch heute Amtskirchen und Neugeborenen-Taufe ab, leben in „urchristlicher“ Gütergemeinschaft, sträuben sich um des Himmels wegen, jedem „Augenschmaus“ als Versuchung und Ausdruck des Bösen in der Welt zu folgen: Kein Fernsehen, keinen Rundfunk, keine Presse, Computer nur, wenn“s der Priester erlaubt.

Und doch benutzen sie Autos, Mähdrescher, moderne Waschmaschinen. Auch das alttestamentarische „Bilderverbot“ (Anabaptisten waren bis ins 17. Jahrhundert „Bilderstürmer“) wird nicht so streng beachtet, denn sonst wäre ja nicht zustande gekommen, was die „Filmfreunde Werder“ am Mittwoch im Kino „Scala“ zu sehen bekamen.

Mit dem schlagenden Argument, ja kein Bild von Gott, sondern von ihnen machen zu wollen, gelang es dem Dokfilmer, HFF-Professor und Filmfreunde-Mitglied Klaus Stanjek, ihren Lebensalltag auf behutsame Art zu dokumentieren und zu einem abendfüllenden Streifen zu verdichten. „Kommune der Seligen“ lief bereits bei mehreren Festivals, bekam in Bozen sogar den Preis „Bester Dokumentarfilm“, aber in Werder, wo solche Extras alle vierzehn Tage zu sehen sind, hatte er seine erste, öffentliche Premiere. In dem langen Gespräch danach wunderte man sich zuerst über das Fehlen dessen, was die Neuzeit „Kultur“ zu nennen pflegt.

Es ist ein stiller Film, worin vornehmlich der Clan der Gross''ens sich zu Wort meldet, Männer wie Frauen, die sich nach Mosaischer Überlieferung den Herren „an die Seite“ gestellt fühlen, weil Gott sie aus der Rippe („Seite“) von Adam genommen. Sie sprechen ein archaisches Deutsch schwäbischer Zunge, vermischt mit österreichischen und ukrainischen Brocken, erzählen, wie schwer doch das Leben in der Kommune sei, obwohl sämtliche Einnahmen aus Ackerbau und Viehzucht in einen Topf kommen, von dem alle gut zehren.

Stanjek sagte im Anschluss sogar, die Hutterer seien geradezu reich an Barem. Nach innen hin brauchen sie also kein Geld, doch sah man Szenen, wo Kinder (ab dem 15. Lebensjahr gelten sie als ausgebildet und arbeitsfähig) mit Papier-Cents trotzdem „Augenschmaus“ handeln. Die Zeit ist an dieser „Insel der Seligen“ mitnichten vorbeigegangen, es gibt Widerstand aus den Reihen der Jugend, Alkoholprobleme, Abwanderungen, wobei, nach Stanjek die Männer „draußen“ als gute Arbeitskräfte gelten, Frauen indes meist auf dem Strich landeten. Aber die Kolonie hält jedem reuigen Sünder die Tür zur Heimkehr offen.

Aus Gründen der Einvernehmlichkeit zeigt der Streifen davon nur wenig, er sollte zuerst den Kolonisten gefallen, was auch geschah. Entgegen dem Dogma vom Bilderverbot drehten sie den Spieß sogar um: „Unsere Brüder (in Europa) sollen sehen, wie wir leben.“ Vielleicht ist das auch als Einladung gedacht, denn nach ihrer erneuten Umsiedlung 1918 von den USA (50 000 derzeit) ins Kanadische wegen Kriegsdienstverweigerung hat die Zahl der Hutterer zwar zugenommen, doch mit zu wenig Blut von außen.

Am 13. Februar um 22.25 Uhr auf arte zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false