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Potsdam-Mittelmark: Zartes Freundschaftspflänzchen hegen

Schüler aus Potsdam-Mittelmark, Polen und Tschechien auf der Suche nach Gemeinsamkeiten

Schüler aus Potsdam-Mittelmark, Polen und Tschechien auf der Suche nach Gemeinsamkeiten Von Juliane Schoenherr Werder - Fragt man die Teilnehmer des deutsch-polnisch-tschechischen Jugendaustausches danach, wie es ihnen im Sommer bei den europäischen Nachbarn gefallen habe, hört man zunächst nur lobende Worte. Die Deutschen seien besonders offen, die Polen sehr herzlich und die Tschechen außerordentlich gastfreundlich gewesen. Ihre positiven Eindrücke haben die Jugendlichen mit Foto- und Videokameras künstlerisch festgehalten, die ihnen der Verein „Job e.V.“ für die Dauer des Austauschs überlassen hatte. Seit gestern können die Ergebnisse in der Wanderausstellung „Our Life @ EU“ im Begegnungszentrum der Diakonie in Werder betrachtet werden. Fragt man die Jugendlichen, ob es denn Unterschiede gebe zwischen polnischen und deutschen Jugendlichen, stellen die Mädchen und Jungen ganz diplomatisch erst die Gemeinsamkeiten heraus, zu denen allgemeine Wertvorstellungen und ein ähnlicher Musikgeschmack zählen, bevor sie sich an die Unterschiede wagen. So wundert sich die 15-jährige Anna Gajewska über die vielen Subkulturen, zu denen sich deutsche Jugendliche bekennen: „Die jungen Leute hier sind sehr individuell. So etwas wie Punkrock oder Hip Hop ist bei uns nicht so ausgeprägt. Aber das kommt vielleicht noch.“ Schließlich seien Polen und Tschechien erst seit anderthalb Jahren in der Europäischen Union. Lenka Mechurova – eine 16-jährige Tschechin – findet, dass die deutschen Jugendlichen selbstsicherer auftreten. „Vielleicht ist das so, weil wir in Tschechien noch nicht so häufig mit Schülern aus anderen Ländern in Kontakt gekommen sind.“ Damit sich genau das ändert, hat die Europäische Union per Ausschreibung Projekte gesucht, bei denen sich Jugendliche aus den alten und neuen EU–Ländern kennen lernen können. Till Görler und Britta Franke von „Job e.V.“ beteiligten sich mit der Idee eines Sommeraustauschs und bekamen die Fördermittel. Von diesen Geldern fuhren im Juli zwei deutsche Gruppen mit jeweils 15 Teilnehmern im Alter von 13 bis 18 Jahren nach Polen und Tschechien. Jetzt sind die Jugendlichen von dort für eine Woche in Werder zu Gast. Patrick Lihs (14), der für eine Woche im tschechischen „Zlate Hory“ war, fiel zwar auf, dass der Lebensstandard niedriger war, aber gestört hat es ihn nicht: „Die Menschen haben dort zwar oft weniger als wir, aber sie machen mehr draus.“ Dem kann der 17-jährige Robert Kleschewski, dessen Familienwurzeln in Polen liegen, nur zustimmen. Er war für eine Woche in Tczew, unweit von Gdansk (Danzig): „Ich fand, dass viele Menschen dort trotz der schwierigeren Lebensumstände eine positivere Einstellung haben, als wir.“ Aber es müsse doch, wie überall, auch in Polen und Tschechien etwas weniger Schönes geben. Was ihnen denn kritisch aufgefallen sei? „Na ja“, gibt Robert zu, „für mich war es schon etwas irritierend, dass viele junge Menschen so streng katholisch sind und zum Beispiel Sex vor der Ehe immer noch für eine Sünde halten". Auch das im Vergleich zu Deutschland autoritäre Schulsystem gefalle ihm nicht. „Da herrscht fast militärische Strenge und auf den Fluren waren Überwachungskameras. Ich glaube nicht, dass ich mich da wohl fühlen könnte.“ Ob sie denn mit den polnischen und tschechischen Jugendliche über ihre Beobachtungen gesprochen hätten? Der 14-jährige Patrick Lihs schüttelt den Kopf: „Nein, wir wurden so herzlich aufgenommen und so gut bewirtet – da wollten wir niemanden mit kritischen Bemerjungen kränken.“ Natürlich sei es wichtig, auch unangenehme Dinge anzusprechen, „aber in der kurzen Zeit war uns einfach erst einmal wichtig, mit den anderen klar zu kommen und sie kennen zu lernen“, erklärt Patrick die Zurückhaltung. Und Robert ergänzt: „Ich hatte vor der Reise ein bisschen Angst davor, auf die deutsche Nazi-Vergangenheit und den zweiten Weltkrieg angesprochen zu werden. Aber zum Glück war das kein Thema.“

Juliane Schoenherr

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