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French Open: Rafael Nadal: Aus der Heimat vertrieben

Alles anders in Roland Garros: Der Weltranglistenerste Rafael Nadal hat zum ersten Mal ein Match bei den French Open verloren.

Als er mit 1:4 im Tiebreak des vierten Satzes zurücklag, spürte Rafael Nadal, wie sich Roger Federer vor einem Jahr gefühlt haben musste. Damals bezwang Nadal den Schweizer auf dem Centre-Court von Wimbledon. Jenem Ort, der doch eigentlich dem fünffachen Champion Federer gehörte. „Robin, Robin“, schallte es geschlossen von den Rängen des Court Philippe Chatrier, und Nadal schien kaum glauben zu können, was er da hörte. Selten zuvor hatte das französische Publikum seinen Gegner frenetischer unterstützt als ihn selbst, höchstens als er gegen deren Liebling Federer antrat. Doch wirklich geliebt hatten sie Nadal niemals, auch wenn er in den vergangenen vier Jahren das Maß der Dinge in Roland Garros gewesen ist.

Der Liebesentzug schien Nadal fast mehr zu treffen, als die Niederlage selbst. Dabei hatte sich im Achtelfinale der French Open etwas zugetragen, was wohl niemand erwartet oder gar für möglich gehalten hatte: Der Sandplatzkönig Nadal wurde gestürzt. Es war seine erste Niederlage überhaupt in Paris nach 31 gewonnenen Matches, in denen Nadal gerade einmal sieben Sätze abgegeben hatte. Mit 2:6, 7:6, 4:6 und 6:7 unterlag der Spanier nun Robin Söderling, der es erstmals ins Viertelfinale eines Grand Slams schaffte. „Die Erde bebte“, titelte die französische „L’Equipe“, und so schien es wirklich, als Nadal um 17:54 Uhr den zweiten Matchball des Schweden ins Aus setzte. „Das ist keine Tragödie, es musste eines Tages passieren“, sagte Nadal. „Ich hatte leider nicht meinen besten Tag.“

Dass er in den Tagen von Paris nie zu seiner besten Form gefunden hatte, war Nadal bewusst, auch in den dreieinhalb Stunden gegen Söderling spielte er die Bälle meist viel zu kurz, konnte seinen gefürchteten Druck so nie wirklich aufbauen. „Ich habe es ihm sehr leicht gemacht“, sagte Nadal, „es lag mehr an mir als an dem, was er gemacht hat.“ Nadal fiel es schwer, seinem Gegner mehr als die schlichte Gratulation zuzugestehen, doch das verwunderte nicht. Hätte das eigensinnige französische Publikum ein wenig mehr über Söderling, die Nummer 25 der Welt, gewusst, wäre es mit seinen Sympathiebekundungen vielleicht zurückhaltender gewesen. Söderling ist unter den Spielern einer der unbeliebtesten. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er keine Freunde auf der Profitour sucht. Was er über seine schwedischen Spielerkollegen denkt, sagt er auch stets deutlich und öffentlich. Die Zahl seiner heimischen Fans ist daher überschaubar, nicht zuletzt da er oft durch unsportliches Verhalten unangenehm auffällt.

Vor zwei Jahren geriet Söderling in Wimbledon mit Nadal aneinander. Ihr Match hatte sich wegen schlechten Wetters über drei Tage hingezogen: Es wurde ein Nervenkrieg, den Nadal schließlich gewann. Söderling hatte dabei ständig die kleinen Marotten des Spaniers nachgeäfft, zum Beispiel das Zupfen an der Hose. „Wenn es einen Spieler gibt, mit dem ich niemals Doppel spielen würde, wäre es Söderling. Keiner mag ihn“, hatte Nadal damals gesagt. Dass es nun ausgerechnet der Schwede war, an den man sich immer als jenen Spieler erinnern wird, der Nadal in Paris bezwungen hat, ist bitter für den Weltranglistenersten. Doch Söderling genoss den Triumph, ließ jeden wissen, dass er ein großartiges Match gespielt hatte: „Ich habe mir vorher gesagt, dass es nur irgendein Trainingsmatch ist, und es hat geholfen. Das ist der größte Moment meiner Karriere.“ Er rang gar mit den Tränen. Furchtlos war der 24-Jährige aufgetreten, vom ersten Moment an spielte er selbstbewusst, und auf der Zielgeraden der Partie knickte er nicht ein, wie es Nadals Gegnern sonst ergeht. Söderling hatte sich den Sieg zu Recht erkämpft.

„Manchmal braucht es eine Niederlage, um den Siegen einen größeren Wert zu geben“, sagte Nadal, der nur schwer damit umgehen konnte, dass seine Erfolge von der Öffentlichkeit stets als selbstverständlich betrachtet wurden. Nadal wusste immer, dass er jedes Mal verlieren konnte, selbst wenn er einen Sandplatz betritt. Dass er es so selten tat, führte wohl dazu, dass niemand damit rechnete, auch er könne mal einen schlechten Tag haben. Doch Nadal hatte ihn, und er akzeptierte es. Wie es auch Federer damals akzeptiert hat, als sein Nimbus der Unbezwingbarkeit zu bröckeln begann. Ihm würde Nadal nun den Titel in Paris nun gönnen. Und bitte nicht Söderling.

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