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Zwangsversteigerungen (1) - Termin beim Amtsgericht: Schweigen ist das Gebot der ersten halben Stunde

Der Immobilienkauf auf einer Auktion geht an die Nerven. Eine Nahaufnahme aus Strausberg.

„Worauf warten wir noch, fehlt einer?“, flüstert Michael Dreher seiner Frau Hildegard irritiert ins Ohr. Seit zehn Minuten läuft die Zwangsversteigerung. „Es können jetzt Gebote abgegeben werden“, hatte die Rechtspflegerin im Saal 2 des Amtsgerichts Strausberg Punkt 13 Uhr verkündet. Nun aber ist sie verstummt und sagt nichts mehr zum Geschäftszeichen 3 K 633/09, hinter dem sich eine erst zehn Jahre alte Doppelhaushälfte in Schönow verbirgt.

In diesem Ortsteil von Bernau mit den rot geklinkerten Häusern im norddeutschen Landhausstil waren Drehers fündig geworden. Und dies bereits vor Monaten. Im Internet waren sie auf das Angebot eines Pankower Maklers gestoßen – Kostenpunkt 180 000 Euro plus Provision. Drehers überlegten. Den Makler wollten sie sich sparen. Und suchten das Objekt an Ort und Stelle, um den Eigentümer direkt anzusprechen. Und hatten Glück: Das Angebot des Maklers fanden sie zwar nicht, doch ein Anlieger wies sie auf ein Objekt hin, das seit einem halben Jahr leer stehe – direkt angrenzend an ein Landschaftsschutzgebiet.

Im Saal 2 bewegt sich das erste Paar in Richtung Richterin. „Was machen die denn jetzt?“, flüstert Hildegard Dreher ihrem Mann ins Ohr. Das Ehepaar hatte sich ohnehin schon gefragt, wie diese Versteigerung weitergehen würde – die Rechtspflegerin war ohne Auktionshammer zur Versteigerung erschienen. „Herr Eberhard Sinn und Frau Elke Sinn-Haft haben ein Gebot in Höhe von 130 000 Euro abgegeben.“ Frau Verporten hat ihr Schweigen gebrochen. „Gibt es weitere Gebote?“ – „Und was ist mit der Sicherheitsleistung?“, fragt nun wie aus der Pistole geschossen von der Seite des Saales der Rechtsanwalt, der im Gericht die Gläubiger vertritt. Die Rechtspflegerin gibt die Frage weiter an die Sinns. „Wir haben das Geld an die Justizkasse überwiesen.“ Die Richterin blättert in ihren Akten. Und sagt dann: „Herr Eberhard Sinn und Frau Elke Sinn-Haft haben eine Sicherheitsleistung in Höhe von 15 000 Euro hinterlegt.“ Das sind die geforderten zehn Prozent des Verkehrswertes dieser Immobilie.

Sofern ein Gebot nicht mindestens sieben Zehntel des festgesetzten Verkehrswerts erreicht, so steht es im Merkblatt mit allgemeinen Hinweisen für Bietinteressenten des Amtsgerichtes Strausberg, hat der Gläubiger unter Umständen die Möglichkeit, die Versagung des Zuschlages zu beantragen.

Das Ehepaar Dreher rechnet ohnehin nicht mit dem Zuschlag, denn Saal 2 des Amtsgerichtes ist rappelvoll. Selbst die Stühle der Beisitzer sind mit potenziellen Bietern besetzt, so scheint es ihnen. Michael Dreher geht zur Richterin. Sie lässt sich auch in diesem Fall die Personaldokumente zeigen, notiert sich Namen und Ausweisnummern. „Wir bieten 134 000 Euro“, sagt Michael Dreher ganz leise zur Richterin. – „Und was ist mit der Sicherheitsleistung?“, bellt es von der Seite.

Frau Verporten schaut das Ehepaar Dreher fragend an. „Wir haben hier einen Verrechnungsscheck“, sagt Michael Dreher voller Stolz. Eine Nacht hatte er wegen dieses Papiers nicht geschlafen. Denn erst drei Arbeitstage vor der Versteigerung hatten sich Drehers wirklich entschieden, sich um das Objekt zu bemühen. Telefonisch hatten sie sich beim Amtsgericht erkundigt, was mitzubringen sei. Um dann diese Antwort zu erhalten: „Wir sind keine Berater.“

Es gibt in diesem Zwangsversteigerungsverfahren nur vier Möglichkeiten, die Sicherheitsleistung zu hinterlegen: Bundesbankscheck (nicht älter als drei Werktage), Bankbürgschaft, ein von einem Kreditinstitut ausgestellter Verrechnungsscheck (wiederum nicht älter als drei Werktage) oder Überweisung auf das Konto der Landeshauptkasse, Abteilung Justizkasse. Bargeld zählt in diesem Falle nicht. Zu oft wurden Zwangsversteigerungen schon überfallen. Eine Mitarbeiterin des Amtsgerichtes Strausberg erbarmte sich schließlich: „Herr Dreher, Sie haben keine Ahnung, waren noch nie auf einer Zwangsversteigerung, waren gar nicht im Objekt. Aber gut. Das Einzige, was Sie jetzt, so kurz vor Toresschluss, noch machen können: Sprechen Sie mit Ihrem Kreditinstitut und beschaffen Sie sich einen Bundesbankscheck.“

Frau Kurz von der Berliner Sparkasse reagiert entschieden, als Dreher vom Telelefongespräch berichtet: „Nein! Das bekommen wir nicht mehr hin, das dauert fünf Werktage.“ Aus der Traum, Schönow ade. Das Exposé – reif für den Papierkorb. „Aber ich erkundige mich und rufe Sie an.“ Nach zwei Stunden die Erlösung: „Kommen Sie morgen Mittag vorbei.“

„Herr Michael Dreher und Frau Hildegard Dreher weisen 20 000 Euro als Sicherheitsleistung mit einem Verrechnungsscheck der Deutschen Bundesbank nach“, verkündet die Richterin der Runde. Hildegard Dreher zischt ihren Mann an. „Bitte, das war der Fehler. Jetzt haben wir es vermasselt. Nun kennen alle unsere finanzielle Grenze.“ 200 000 Euro – mehr wollten beide auf keinen Fall bieten. Dass ein Scheck über 15 000 völlig ausgereicht hätte – das war ihnen in der Hektik gar nicht aufgefallen. Drehers verstehen nun das lange Schweigen der Runde immer besser. Es ist gut, Mitbieter etwas im Unklaren zu lassen und den Preis niedrig zu halten. Zumal diese Veranstaltung erst nach einer halben Stunde lebendig wird. Die Mindestbietzeit beträgt nämlich 30 Minuten. Gibt danach keiner mehr ein Gebot ab, ist die Versteigerung vorbei. Wird weitergeboten, läuft die Bietzeit so lange, bis kein Gebot mehr abgegeben wird.

Die Richterin will nach einer halben Stunde zum Ende kommen. In Tausender- Schritten wird der Verkehrswert in Höhe von 150 000 Euro erreicht. Die ersten Bieter steigen jetzt aus. Drehers sind noch im Rennen, machen sich aber keine Hoffnungen – es gibt drei weitere Paare, die den Preis nach oben schrauben. „169 000 Euro“, sagt Michael Dreher – und erhält den Zuschlag. Niemand bietet mehr.

Die Namen in diesem Beitrag wurden von der Redaktion geändert. Die Serie über Zwangsversteigerungen wird in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt. Die nächsten Themen: Verhinderung einer Zwangsversteigerung; Übergabe des Objektes; Finanzierung; Aus- und Umzug

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